Die Flüchtlingsbeauftragte von Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hossek (SPÖ), die ehemalige Volksanwältin Terezija Stoisits, stellte fest, dass Österreichs Schulsystem in Sachen Neuaufnahme Geflüchteter oder Zugewanderter vor keiner prinzipiell neuen Situation stehe: "Für das Schulwesen ist die Aufnahme von Flüchtlingskindern überhaupt nichts Neues." Man müsse nicht bis ins Jahr 1956 (Ungarn-Krise) zurückblicken, es reiche die Erinnerung an die 1990er-Jahre (Balkankriege). Auch die Zahlen seien nicht überwältigend.

"Der Neuzugang an Flüchtlingskindern im Jahr 2015 war so, dass bis 7. Jänner dieses Jahres 9.815 solche neue Schüler registriert worden sind. (...) In Wien waren es 2.234. (...) Wir haben in Österreich 1,1 Millionen Schülerinnen und Schüler." Ziehe man von den 9.815 Meldungen die Doppelmeldungen ab, würde man in ganz Österreich auf rund 8.500 Kinder kommen, die als Flüchtlinge neu in die Schulen gekommen seien.

Ein Problem, das Stoisits aber betonte: Durch die auch nach Verhandlungen mit Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) nicht mögliche Verschiebung der Bekanntgabe der für die einzelnen Schulen notwendigen Lehrerkapazitäten auf einen späteren Termin als Anfang Oktober sei eine flexiblere Reaktion auf die gerade im Herbst vergangenen Jahres extrem stärker gewordenen Flüchtlingszahlen im Bildungswesen kaum möglich gewesen. Aber, wie die ehemalige Volksanwältin betonte: "Es hat in Österreich noch nie einen Schüler gegeben, der ohne Lehrer da gestanden ist. Und es hat in Österreich noch nie einen Lehrer gegeben, der kein Gehalt bekommen hat."

Der Grüne Bildungsexperte und Lehrer Daniel Landau schilderte sehr unterschiedliche Situationen an den Wiener Schulen. Lehrer und Direktoren hätten häufig mit extrem hohen Engagement spezielle Angebote für Flüchtlingskinder mit intensivierter Förderung auf die Beine gestellt, hätten aber nur zum Teil Förderung und Anerkennung erfahren. "Viele der Kinder lernen sehr schnell Deutsch. Das hängt viel mehr vom Bildungsstand der Eltern als vom Herkunftsland oder vom Reisepass ab." Der österreichische Staat habe eine hohe Bereitschaft, besonders Engagierte ihrer Selbstausbeutung zu überlassen. Das gelte für das Bildungswesen genauso wie für den Sozialbereich. Ein allein "defizitorientierter Blick" auf die aktuellen Herausforderungen sei jedenfalls "desaströs". Ein zweites Problem liege darin, dass die Verteilung der neuen Schüler auf die Schultypen sehr unterschiedlich ist.

Im Endeffekt haben Migranten- und Flüchtlingskinder was die Integration betrifft, ähnliche Probleme. Bei vielen der geflüchteten Kinder aber kommen noch schreckliche Erfahrungen vor und auf der Flucht hinzu. In einem Videobeitrag berichtete der ukrainische Psychoanalytiker Sergey Bogdanov (Universität Kiew), der in Wien seine Dissertation geschrieben hat, wie er mit dem schulpsychologischen Dienst in fünf Regionen in der Ostukraine für mehr als 10.000 Kinder mit Bürgerkriegserlebnissen ein einfaches psychologisches Hilfsprogramm mit einem siebenteiligen Gruppen-Seminarprogramm organisiert hat, um den Kindern und Jugendlichen eine Verarbeitung ihrer Stresserlebnisse zu ermöglichen.

"50 Prozent der Kinder hatten Explosionen und Schüsse gehört. Mehr als zehn Prozent hatten gesehen, wie Menschen mit Waffen bedroht worden waren. Mehr als zehn Prozent hatten gesehen, wie ein ihnen unbekannter Mensch umgebracht wurde, drei Prozent wie ein ihnen bekannter Mensch umgebracht wurde. (...) 40 Prozent der Buben und 20 Prozent der Mädchen zeigten ein abweichendes Verhalten." Durch die Gruppensitzungen mit dem Erzählen des Erlebten, körperlichen und emotional wirksamen Strategien (Singen etc.) konnte zumindest der Anteil der Kinder, die deutlich an posttraumatischen Belastungsreaktionen litten, von anfänglich 37 auf elf Prozent nach den Sitzungen reduziert werden. Das ergab eine Begleitstudie mit 1.365 mehrfach getestetem Teilnehmern.