Alles andere als freudig begrüßt wird die Asylgesetznovelle - mit "Asyl auf Zeit" und Verschärfungen beim Familiennachzug - in den ersten Begutachtungs-Stellungnahmen. Die Rechtsanwälte üben umfassend Kritik und raten vom Beschluss ab. Der Verwaltungsgerichtshof rechnet mit sehr viel mehr Arbeit und macht zumindest 500.000 Euro Mehrkosten geltend.

Diese 500.000 Euro würden für zwei Richter und vier wissenschaftliche Mitarbeiter mehr gebraucht, für die Bewältigung der zu erwartenden Revisionen gegen die Aberkennung des Asylstatus nach drei Jahren. Schon vorsichtig geschätzt, orientiert an der untersten im Gesetzesentwurf genannten Quote von zehn Prozent Aberkennungsverfahren, würde der "Asyl auf Zeit"-Status den VwGH massiv belasten: Für mindestens 500 zusätzliche Verfahren müsste ab 2017 vorgesorgt werden, steht in der Stellungnahme.

Im Vorjahr gab es rund 1.000 Asylverfahren, für heuer wird mit bis zu 1.500 gerechnet. Aktuell sind im VwGH 15 Richter (von 53) im Asylbereich tätig, bereinigt um sonstige Zuständigkeiten kommt man auf zehn "Asyl"-Vollzeitkräfte. Für die Novelle müsste also um mindestens ein Fünftel aufgestockt werden - nur für die "Asyl auf Zeit"-Bestimmung.

Aber auch die Beschränkung des Familiennachzugs werde "die Belastung des VwGH mit weiteren Revisionsverfahren deutlich erhöhen". Viele Fremde, denen nur subsidiärer Schutz zuerkannt wird, würden sich dann wohl bis zum Höchstgericht hinauf um den Asylstatus bemühen, weil dafür keine dreijährige Wartezeit gilt. Und schon "per se" lassen die Restriktionen mehr Revisionsverfahren erwarten, ist der VwGH überzeugt.

"Mögliche Folgewirkungen und Folgekosten" veranlassen auch den Österreichischen Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) zur Anregung, "die vorgesehene Neuregelung in der vorliegenden Form nicht zu beschließen". Verfasst hat die Stellungnahme Menschenrechts- und Asylanwalt Georg Bürstmayr.

Er warnt, dass "Asyl auf Zeit" die Integration anerkannter Flüchtlinge behindern und Folgekosten (etwa beim AMS) verursachen würde. Bei Arbeitgebern oder Vermietern brächte das zunächst auf drei Jahre befristete Aufenthaltsrecht Rechtsunsicherheit. Und es würde einen hohen Verwaltungsaufwand verursachen: Allein beim BFA wäre ab 2019 wohl "mit deutlich über 10.000 zusätzlichen Verfahren" von Afghanen, Irakern und Syrern zu rechnen. Zum Vergleich: Für 2016 erwartet das BFA rund 50.000 Verfahren.

Beim Familiennachzug hat Bürstmayr schwere Bedenken gegen die Ausweitung der Wartezeit von einem auf drei Jahre für subsidiär Schutzbedürftige. Dies könnte sogar verfassungswidrig sein wegen der größeren Ungleichbehandlung gegenüber Asylberechtigten - vor allem im Hinblick auf unbegleitete Minderjährige. Erreichen sie den Schutzstatus nicht vor dem 15. Lebensjahr, hätten sie dann überhaupt keine Möglichkeit mehr auf Nachzug der Eltern - dies kann nämlich nur ein Minderjähriger beantragen.

Rechtliche Vertreter dieser Jugendlichen wären "geradezu gezwungen", den Rechtsweg auszuschöpfen, um für sie den Asylstatus zu erreichen. Das würden wohl aber auch viele Erwachsene tun, die die Familie nachholen wollen - was "erheblichen Mehraufwand" für Bundesverwaltungsgericht und wohl auch Höchstgerichte brächte. Es stellt sich also, so Bürstmayr, die Frage, ob der mit der Neuregelung verfolgte Zweck - Eindämmung der Flucht von "Ankerkindern" und damit weniger Kosten - nicht durch diesen Mehraufwand konterkariert würde.

Die Asylgesetznovelle hat ÖVP-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner initiiert. Die SPÖ war zunächst skeptisch. Anfang November einigte sich die Regierung und schickte einen Entwurf in Begutachtung, mit dem die neuen Regelungen rückwirkend per 15. November eingeführt werden sollen. Die Begutachtung läuft noch bis 30. November - aber sowohl die Opposition als auch sämtliche prominente Hilfsorganisationen haben die Pläne der Innenministerin umgehend abgelehnt.