Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) hat am Montag, dem Tag nach der Wien-Wahl, angekündigt, noch im Lauf dieser Woche erste Gespräche mit allen im Gemeinderat vertretenen Parteien führen zu wollen. Außerdem kündigte Häupl grundlegende Strukturveränderungen in der Partei wie etwa "Grätzl"-Vertrauenspersonen an. Der Verlust des Bezirksvorstehers in Simmering sei "inakzeptabel".

"Nicht trödeln"

Häupl betonte nach den Gremiensitzungen der Wiener SPÖ in einer Pressekonferenz, er wolle möglichst rasch eine stabile, tragfähige Stadtregierung bilden: "Wir werden nicht trödeln können." Denn vor allem das Budget der Stadt, an dem auch die Bezirksbudgets hängen, müsse beschlossen werden. Deshalb werde er noch diese Woche Gespräche mit allen im Gemeinderat vertretenen Parteien führen. Seine Ergebnisse werde er dann dem Landesparteivorstand präsentieren und diesem einen Koalitionsvorschlag machen.

Koalition mit Schwarz oder Grün möglich

Wobei derzeit nur zwei Zweierkoalitionen wirklich infrage kommen: Nach derzeitigem Ergebnis geht sich eine Mehrheit mit der ÖVP (51 Mandate) sowie mit den Grünen (53 Mandate) aus. Die Freiheitlichen hatte Häupl bereits im Vorfeld ausgeschlossen. "Ich kann addieren", versicherte Häupl heute. Die Mathematik werde allerdings nicht sein Ratgeber werden. Vielmehr könnte die Einmischung der Bundes-ÖVP zum Problem werden. "Ich führe Koalitionsverhandlungen nur mit der Wiener Landesgruppe, nicht mit der Bundespartei", betonte er in Anspielung auf die Bestellung von Bundesgeneralsekretär Gernot Blümel zum neuen Wiener VP-Parteiobmann. Mit einer "ferngesteuerten" Partei werde er nicht reden. ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner hatte jedoch bereits angekündigt, dass Blümel seinen Sekretärsposten zurücklegen werde.

"Im Prinzip" gelte für Häupl jedoch noch das, was er bereits vor fünf Jahren gesagt hatte: Er streite immer noch lieber über Verkehrsthemen als über Zukunftsthemen wie Bildungspolitik. Eine Koalitionspräferenz wollte der Bürgermeister daraus jedoch nicht ableiten lassen: "Ich habe überhaupt keine Präferenz, dazu bin ich professionell genug."

Rückeroberung der "blauen" Bezirke

Abgesehen davon will der Landesparteichef die FPÖ-Abwanderung in den Flächenbezirken wie in Simmering, das erstmals einen blauen Vorsteher stellen wird, aufhalten. "Wir arbeiten schon jetzt daran, Simmering wieder zurückzuerobern", meinte der Bürgermeister. Dazu werde es - wie in anderen Flächenbezirken wie der Donaustadt oder Floridsdorf, in denen die FPÖ "allzu nahe" an die SPÖ herangekommen sei - "Spezialprogramme" geben. Wobei nach derzeitigem Stand auch in Floridsdorf die FPÖ die Nase vorn hat, Häupl allerdings dank Wahlkarten - sie sollen in der Nacht auf Dienstag vollständig ausgezählt sein - noch an eine rote Rückfärbung glaubt.

Die angestrebten Maßnahmen sind jedenfalls Teil einer Reform der inneren Struktur sowie der Außendarstellung der Partei, die deren Chef spätestens beim Landesparteivorstand Ende November diskutieren will. Einige Details gab es jedoch schon heute: So sollen etwa Vertrauenspersonen im Grätzl künftig das Gespräch mit den Menschen suchen und Probleme lösen.

Denn derzeit gebe es "allzu viele Menschen" in Wien, die soziale Probleme hätten, aber keine Kenntnis darüber, was die Stadt anbiete. "Ich bin der Auffassung, das ist eine Bringschuld der Politik", betonte Häupl. Das habe man in der Vergangenheit vielleicht zu wenig deutlich gemacht. "Manche Dinge kann man dann lösen, wenn der Leidensdruck groß genug ist", meinte er.

Was die Stadtregierung angeht, könne es je nach Koalitionspartner und Verhandlungsergebnis auch zu Ressort- bzw. personellen Änderungen kommen. Auch wenn der Bürgermeister heute davon ausging, dass zumindest die Zahl der Stadträte (derzeit 12) voraussichtlich gleich bleiben werde. Sich selbst will Häupl jedoch sicherlich nicht verändern. "Wenn ich den Eindruck habe, ich erreiche die Wiener Bevölkerung und ich bin gesund - mit 66 Jahren ist das keine Koketterie -, dann müssen das nicht meine letzten Wahlen in Wien gewesen sein", erklärte er.

NEOS: "Wir sind der Stachel im Fleisch"

Auch das Landesteam der NEOS traf sich, um das Ergebnis der Wahl, bei der der Partei der Einzug in den Gemeinderat gelungen ist, sowie die weiteren Schritte zu besprechen. Die NEOS werden mit voraussichtlich fünf Mandataren in den Wiener Gemeinderat einziehen. Bei der Sitzung der Landesgruppe am Montagvormittag stellten die Pinken die Weichen für ihren künftigen Klub. Neben Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger als Klubobfrau wurden auch der künftige Landesgeschäftsführer und die Klubdirektorin beschlossen.

Landesgeschäftsführer wird Thomas Weber, der auf Platz sechs der Landesliste kandidiert hatte und somit kein Mandat erhält. Klubdirektorin wird Claudia Jäger, die bisherige stellvertretende Klubdirektorin der NEOS im Nationalrat. "Der Einzug ist deutlich geschafft", freute sich Meinl-Reisinger einmal mehr im Anschluss an das Treffen vor Journalisten.

"Wir haben allen Kritikern zum Trotz gute Arbeit geleistet", sagte Meinl-Reisinger, auch wenn eine Regierungsbeteiligung der NEOS nicht wahrscheinlich ist. "Wir sind der Stachel im Fleisch. Es geht nicht nur um Machterhalt und Posten, sondern auch um eine Lebendigkeit der Politik." Natürlich gehe es am besten in einer Regierung, die eigenen Anliegen durchzusetzen, sie selbst habe aber mit ihrer Tätigkeit im Nationalrat gezeigt: "Auch in der Opposition kann man Druck aufbauen."

Kein Rücktritt von Vassilakou

Die Grünen zeigten sich am Montag bemüht, die ursprüngliche Rückzugsankündigung ihrer Spitzenkandidatin Maria Vassilakou für den Fall eines Wahlverlusts vergessen zu machen. Diese Personalie sei nicht nur derzeit, sondern überhaupt kein Thema, betonte Klubchef David Ellensohn gegenüber der APA: "Mary wird uns in diese Koalitionsverhandlungen führen."

Offizielle Gremiensitzungen, wo Vassilakou die Vertrauensfrage stellen und bestätigt werden könnte, sind keine angesetzt. Intern werde das Wahlergebnis am Montag aber sehr wohl analysiert, auch wenn einige Daten noch fehlen. Die Briefwahlstimmen werden ja erst Montagabend ausgezählt. Man mache sich für Koalitionsverhandlungen mit der SPÖ bereit, so Ellensohn, und wolle möglichst rasch gemeinsame große Projekte aufstellen. Dies könnte etwa Wien als erste Modellregion für die gemeinsame Schule der Zehn- bis 14-Jährigen sein, aber auch das Thema leistbare Wohnungen.

Vassilakou selbst hat sich in der Sache ihres Verbleibs noch nicht klar geäußert. Bei der Wahlparty am Sonntagabend ließ sie durchblicken, dass sie auf jeden Fall bleiben will. "Ich bin stolz auf euch, ich bin dankbar und ich bin geehrt, eure Chefin zu sein", sagte sie dort. Man habe alles in die Schlacht geworfen, "ich sogar mich selber in einem bestimmten Moment", so ihre einzige Anspielung auf ihre Rücktrittsankündigung.

FPÖ tritt am Dienstag vor die Presse

Die Wiener FPÖ - die auf den sprichwörtlichen blauen Montag schwört - wird erst am Dienstag das Ergebnis der Wien-Wahl diskutieren. Ab dem späten Vormittag stehen Gremiensitzungen auf dem Programm, wie auf APA-Anfrage am Montag in der Landespartei betont wurde. Parteichef Heinz-Christian Strache wird voraussichtlich um 17.00 Uhr vor die Medien treten.

Für die Blauen endete der Wahltag am Sonntag mit Zugewinnen, wenn auch nicht in jenem Ausmaß, wie zuvor prophezeit. Laut vorläufigem Endergebnis legten die Blauen um 6,4 Prozentpunkte auf 32,2 Prozent zu. Die daraus resultierenden 35 Mandate könnten sich nach der noch laufenden Auszählung der Briefwahlstimmen noch um eines reduzieren.

Was aber nichts macht: Die FPÖ wird auch mit 34 Mandaten über eine Sperrminorität verfügen. Und: Ein blauer Stadtpolitiker wird sich wohl mit dem Amtstitel Vizebürgermeister schmücken können - auch wenn dies keine reale politische Macht mit sich bringt. Obmann Strache hat bereits angekündigt, dass der derzeitige Rathausklubchef Johann Gudenus den Posten bekleiden wird.

Blümel neuer ÖVP-Chef in Wien

ÖVP-Generalsekretär Gernot Blümel ist Montagnachmittag vom Landesparteivorstand der Wiener Volkspartei mit 95,7 Prozent der Stimmen zum geschäftsführenden Obmann gewählt worden. Das gab der scheidende Parteichef Manfred Juraczka nach der Sitzung gemeinsam mit Blümel bekannt.

Formal vollzogen wird die Übergabe Anfang 2016 beim Landesparteitag, Blümel führt aber ab sofort die Geschäfte. "Das ist eine große Aufgabe. Ich freue mich", sagte er in einer Pressekonferenz nach der Sitzung.