Bayerns CSU-Innenminister Joachim Herrmann ist verärgert über Österreich. In Gesprächen mit den Tageszeitungen "Die Presse" (Sonntagsausgabe) und "Der Standard" (Online) kritisierte Herrmann, "dass so viele Flüchtlinge einfach so von der slowenischen zur deutschen Grenze durchgeleitet werden." Das sei ein Verstoß gegen das EU-Recht.

Österreich karre Migranten in Bussen an die Grenze

Österreich karre Migranten in Bussen an die Grenze, bemängelte der CSU-Politiker gegenüber der "Presse": "Das ärgert mich in der Tat. Und zurzeit ärgern sich auch die Menschen im Landkreis Passau unheimlich, wenn sie sehen, dass Busse des Bundesheeres Flüchtlinge bis zwei Kilometer vor die bayerische Grenze bringen und den Menschen dann gesagt wird: 'So, da lauft jetzt rüber, dort ist Deutschland'."

Österreich habe zwei Möglichkeiten, betonte Herrmann: "Entweder stellt es fest, dass da jemand aus einem Land kommt, in dem man ihn schon hätte aufnehmen müssen. Dann muss Österreich diese Person zurückschicken, nach Slowenien oder Ungarn. Oder Österreich nimmt diese Leute selbst auf."

Österreich schicke die Migranten aber einfach weiter. "Das ist ein Missstand, ein klarer Verstoß gegen die Dublin-Verordnung und das Schengen-Abkommen. Die Ursache liegt nicht bei Österreich, sondern bei Griechenland und Italien. Und dann setzt sich dieser Missstand fort."

Die deutsche Bundesregierung habe "falsche Signale" gesetzt und den "Eindruck erweckt, es wäre okay, wenn sich Leute auf den Weg nach Deutschland machen", sagte Herrmann. "Diesen Prozess müssen wir rückgängig machen."

Nicht unkontrolliert in EU strömen

Es dürfe nicht sein, dass Flüchtlinge einfach unkontrolliert in die EU und nach Deutschland strömen könnten. Es müsse auch eine Obergrenze gezogen werden können. "Ich will die Zahl begrenzen. Ich wünsche mir vor allem, dass der Zustrom von Leuten, die nach wie vor aus dem Balkan kommen, beendet wird. Personen aus Mazedonien, Serbien und Albanien haben weder in Österreich noch in Deutschland Anspruch auf Asyl. Sie sollte man alle wieder zurückschicken. Mir ist es ein Anliegen, die Anzahl der Bürgerkriegsflüchtlinge in Kontingente zu bringen, die wir in der EU gemeinsam definieren."

Gegenüber dem "Standard" präzisierte Herrmann: "Wir sagen nicht, dass gar niemand mehr zu uns kommen soll. Als Flüchtlinge aus politischen, rassistischen oder religiösen Gründen werden vom Bundesamt für Migration gerade mal zwei Prozent eingestuft. Das ist nicht das Problem. Wir wollen Menschen aus Syrien natürlich auch helfen. Aber wenn alle von Bürgerkriegen in Arabien und Afrika Betroffenen nach Deutschland kommen wollen, dann sind das Millionen. Daher müssen wir für Bürgerkriegsflüchtlinge zu einer Kontingentlösung kommen. Die USA und Großbritannien machen das auch."

Außerhalb dieser Kontingente sollte es dann keine Aufnahme mehr geben. "Wer aus einer Bürgerkriegslage kommt, den nehmen wir grundsätzlich nicht mehr auf diesem Weg, sondern schicken ihn postwendend zurück." Denn, so der christlich-soziale Politiker: "Recht auf Asyl im engeren Sinn hat jemand, der 'nur' aus einem Bürgerkrieg flieht, eigentlich nicht."

Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer kritisierte unterdessen das Vorgehen der deutschen Bundesregierung in der Flüchtlingskrise erneut scharf. "Wir müssen dringend, und ich rede jetzt von der bundespolitischen Ebene, unserer Politik Ordnung und Inhalt geben", sagte der CSU-Chef am Samstag in Erding bei einem Kongress seiner Partei zum Thema Migration und Flüchtlinge.

Wenn sich die Bevölkerung frage, ob die Politik ohnmächtig sei, "dann ist dies ein Alarmsignal für die Politik". Bundeskanzlerin Angela Merkel, zugleich Chefin der Schwesterpartei CDU, warf Seehofer in der Flüchtlingskrise eine "Kapitulation des Rechtsstaats" vor. Mit dieser Formulierung kritisierte er Merkels Äußerung, dass sich die EU-Außengrenzen nicht effektiv schützen ließen.

Einfach zu sagen, jetzt warten wir mal ab, ob der Winter vielleicht dazu beiträgt, dass weniger Flüchtlinge kommen, einfach zu sagen, es gibt keine Obergrenze, einfach zu sagen, in unserer Zeit können wir sowieso 3.000 Kilometer Grenzen nicht mehr schützen, das ist eine Kapitulation des Staates vor der Realität", sagte Seehofer, ohne Merkel beim Namen zu nennen. "Wer in unserem Land Probleme größerer Art vermeiden will, muss für die Zuwanderungsbegrenzung sein."

Merkel: Grenze nicht einzäunbar

Die Bundeskanzlerin hatte am Mittwoch im Sender ARD gesagt, man könne nicht Deutschlands 3.000 Kilometer lange Landgrenze einzäunen. Seehofer berichtete vor etwa 300 Zuhörern, ihm stellten Bürger oft die Frage, ob die Politik die Lage noch im Griff habe.

Seehofer kritisierte, die Gemeinden müssten mit den Folgen einer Politik klarkommen, die von Berlin und Brüssel ausgehe. "Deshalb stellt sich die Grundfrage um das Rollenverständnis des Föderalismus", sagte der CSU-Vorsitzende.

Seehofer hatte das Vorgehen Merkels angesichts der hohen Asylwerberzahlen zuletzt mehrfach deutlich kritisiert. Gleich zu Beginn seiner Rede hatte der CSU-Chef aber seine Hochachtung für Merkel betont: "Mir geht es nicht um einen Konflikt mit der Kanzlerin, mir geht es um die Lösung eines großen Problems der Gegenwart." Problematisch seien Tempo und Umfang der Zuwanderung.

In diesem Zusammenhang kritisierte der bayerische Ministerpräsident auch Überlegungen der Schwesterpartei CDU, bestehende Regelungen zur Zuwanderung etwa von Fachkräften in einem Einwanderungsgesetz zusammenzufassen. Es sei überraschend und "schwierig", dass die CDU angesichts der aktuellen Lage über ein Einwanderungsgesetz nachdenke. "Ein Einwanderungsgesetz macht ja nur Sinn, wenn man mehr Einwanderung will und nicht weniger", sagte Seehofer. "Wir sind vor dem Hintergrund dessen, was jeden Tag stattfindet, für eine Zuwanderungsbegrenzung."

Herrmann zitierte in Erding Zahlen des Bundes, nach denen in den fünf Wochen seit dem 5. September, als Merkel Migranten aus Ungarn unregistriert nach Deutschland reisen ließ, 340.000 Flüchtlinge Deutschland erreicht haben. Der deutsche Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) prophezeite für 2016 die nächste große Fluchtbewegung aus Afghanistan nach dem Abzug der US-Truppen: "Es werden Millionen von Menschen nach Deutschland kommen."