Derzeit kassieren die Länder kaum eigene Abgaben, sondern finanzieren sich entweder aus Ertragsanteilen an den vom Bund eingehobenen Steuern oder aus sonstigen Zuweisungen und Zuschüssen. "Wir haben Einnahmenzentralismus kombiniert mit Ausgabenförderalismus. Das ist die teuerste Form der Staatsverwaltung", kritisierte Agenda Austria-Leiter Franz Schellhorn am Mittwoch und forderte einen "echten Föderalismus" mit Steuerverantwortung für die Länder. Befürwortet wird dies auch von Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP), die SPÖ lehnte Steuerautonomie für Länder zuletzt ab.

Wie eine solche Steuerhoheit für Bundesländer aussehen könnte, haben Christian Keuschnigg von der Universität St. Gallen und der IHS-Experte Simon Lorenz durchgerechnet. Als beste Kandidaten für die "Verländerung" sehen sie die Lohn- und Einkommensteuer sowie die Körperschaftsteuer auf Unternehmensgewinne. So könnten die Länder beispielsweise einen Lohnsteuer-Sockel von 7,3 Prozent des Einkommens ihrer Bürger kassieren, darüber hinausgehende Steuern würden an den Bund fließen. Im Gegenzug könnte der Bund Transfers und Zuweisungen an die Länder streichen.

Die Länder könnten ihren Anteil an der Lohn- und Körperschaftsteuer damit je nach Bedarf senken oder anheben, was für Keuschnigg mehrere Vorteile hätte: Erstens wäre das ein effektiver Sparanreiz für die Länder, zweitens könnten strukturschwache Regionen mit Steuersenkungen um Einwohner und Betriebe buhlen. Laut der für die Studie durchgeführten Simulationsrechnung könnte der Steuerwettbewerb das Wachstum in Österreich um 1,7 Prozent heben. Allerdings gäbe es Gewinner und Verlierer: Während das Burgenland, Niederösterreich, die Steiermark und Kärnten besonders stark profitieren könnten, würde das Wachstum in Salzburg und Wien sogar gedämpft.

Auch finanziell wären die wirtschaftlich starken Länder Salzburg und Wien (gemeinsam mit Tirol, Vorarlberg und Oberösterreich) die Verlierer des Modells: Sie sind nach den Berechnungen der Studienautoren schon jetzt Nettozahler im Finanzausgleich (siehe Grafik) und müssten nach einer Reform noch mehr Geld an die anderen Länder überweisen. Um das zu finanzieren müssten Wien und Salzburg laut der Studie sparen, Steuersenkungen wären hier nicht möglich, heißt es in der Studie.

Dass Wien im Steuerwettbewerb unter die Räder kommen könnte, fürchtet Keuschnigg dennoch nicht. Die Hauptstadt verfüge als Wissenschafts- und Konzernstandort über derart große "natürliche Standortvorteile", dass sie sich durchaus höhere Steuern leisten könne, so der Wirtschaftsforscher. Er räumte zwar ein, dass eine dermaßen große Reform des Finanzausgleichs zu Verteilungskonflikten führen würde. Der Vorteil zum jetzigen System wäre aus seiner Sicht allerdings, dass die derzeit versteckten Transfers zwischen Nettozahlern und Nettoempfängern für alle sichtbar würden: "Den Finanzausgleich und die Umverteilung über die Regionen gibt es jetzt schon, wir machen das nur transparent."