Mit der Oberösterreich-Wahl sind - je nachdem - Spannung, Nervosität oder Zuversicht für die Wien-Wahl gestiegen. Wie am 27. September im zuvor schwarz-grün regierten Oberösterreich geschehen, prognostizieren die Umfragen auch für die Bundeshauptstadt starke Verluste der Landeshauptmann-/Bürgermeister-Partei SPÖ und den Verlust der rot-grünen Koalitionsmehrheit bei großen Zugewinnen der FPÖ.

Dass die Meinungsforscher für Wien schon länger den ersten Platz der FPÖ nicht ausschließen wollten, liegt an der etwas anderen Ausgangslage: In Wien ist die FPÖ bereits Zweite vor der ÖVP - und der Abstand zur SPÖ auf Platz 1 mit 18,6 Prozentpunkten deutlich geringer als er in Oberösterreich zwischen ÖVP und FPÖ war.

Auch in Wien wird das Flüchtlingsthema, das der FPÖ heuer schon dreimal zu überraschend hohen Zugewinnen verhalf, eine Rolle spielen. Wobei sich Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) sehr deutlich gegen die Linie der FPÖ Heinz-Christian Straches gestellt hat - und anders als der oberösterreichische LH Josef Pühringer (ÖVP) eine Koalition mit den Freiheitlichen ausschließt. Dies tun auch die Grünen - die bei Rot-Grün bleiben wollen - und die NEOS. Nur die ÖVP liebäugelt mit der FPÖ, in den Umfragen zeichnete sich eine schwarz-blaue Mehrheit aber nicht ab.

Die Ausgangslage, Ziele und Chancen der Parteien bei der Wien-Wahl am 11. Oktober:

SPÖ

SPÖ-Chef Michael Häupl (65) hat in den vergangenen 20 Jahren einiges an Hochs und Tiefs erlebt - von 39,2 (1996) bis 49,1 Prozent samt Mandatsabsoluter (2005), zuletzt wieder deren Verlust mit 44,3 Prozent. Aber seine fünfte Wahl ist die größte Herausforderung für den Langzeit-Bürgermeister. Wobei er sich weder von Umfragen noch vom OÖ-Wahlausgang beeindruckt zeigt. Nur beim Wahlziel ist er etwas bescheidener geworden: War es erst noch die Rückeroberung der Mandatsabsoluten, verlautet er jetzt nach dem herben roten Minus in OÖ, dass er "nicht mit Verlusten" rechne. Das ist jedoch unwahrscheinlich, in den Umfragen liegt die SPÖ nicht mehr weit vor der FPÖ. Diese profitiert vom Flüchtlingsthema - besonders wohl auch in SPÖ-Stammwählerschichten, die Häupl ohnehin schon Rot-Grün verübeln. Mit klarer Gegenansage bemühte sich Häupl im Wahlkampf, der FPÖ diesen Wind aus den Segeln zu nehmen - und zeigte sich als der große Problemlöser, als den ihn die SPÖ, zu allen möglichen Themen, "mit G'spür für Wien" auf den Wahlplakaten präsentiert. So gut wie gar nicht kommt im Wahlkampf vor, was Wien zuletzt "anders" gemacht hat: Die einzige rot-grüne Koalition Österreichs. Dafür entschied sich Häupl, nachdem es 2010 mit nur mehr 49 Mandaten nicht mehr fürs Alleinregieren reichte. Begeistert waren davon nicht alle Roten - vor allem nicht die Wähler in den "Arbeiterbezirken". Sie sprechen ein gewichtiges Wort mit in der Frage, ob Wien rot oder blau ist. Wie es auch kommt, will sich Häupl - beteuert er - auf niemanden ausreden, die Verantwortung übernehmen und keinesfalls gleich zurücktreten.

GRÜNE

Die Grüne Spitzenkandidatin Maria Vassilakou (46) wiederholt hingegen immer wieder, dass sie zurücktreten wird, "sollte es zu Verlusten kommen" - und beinahe mantra-artig gibt sie sich auch nach der Oberösterreich-Wahl überzeugt, dass sich in Wien Rot-Grün weiter ausgehen wird. In der Regierung zu bleiben, ist der größte Wunsch der Verkehrsstadträtin. "Wer Rot-Grün will, muss Grün wählen", versuchte die Partei in der letzten Plakatwelle wohl, ihr Terrain im rot-blauen Duell zu sichern. Auch das Flüchtlingsthema kommentierte man zuletzt - "Man wählt nur mit dem Herzen gut" -, nachdem die längste Zeit stolz die Leistungsbilanz der vergangenen fünf Jahre (Mariahilfer Straße, 365-Euro-Jahres-Ticket, Parkpickerl-Ausweitung) beworben wurde. Als Wahlziel gibt Vassilakou "das beste grüne Ergebnis aller Zeiten" aus. Das wären mehr als die 14,6 Prozent des Jahres 2005. In den letzten Umfragen lagen die Grünen aber nur rund um die 12,6 Prozent, die sie 2010 eingefahren haben - obwohl es, wie man an zuletzt 16,4 Prozent bei der Nationalratswahl sah - in Wien ein größeres Potenzial gäbe. Dass aber selbst das beste Grün-Ergebnis die Koalitionsmehrheit nicht garantiert - wenn gleichzeitig der Partner schwer verliert -, mussten die Grünen in Oberösterreich zur Kenntnis nehmen. Da mit Wien die zweite ihrer sechs Koalitionen in den Bundesländern gefährdet ist und weil Wien als einzige rot-grüne doch ein Prestigeprojekt ist, werden auch die Bundes-Grünen am 11. Oktober mitfiebern.

FPÖ

Zum "zweiten Streich" nach dem Rekordergebnis in Oberösterreich setzt Heinz-Christian Strache (46) in Wien an. Jedenfalls war er seiner Ansage "Erster und Bürgermeister" werden zu wollen, noch nie so nah: In den letzten Umfragen lag die FPÖ nur mehr knapp hinter der SPÖ, die Meinungsforscher schließen sogar nicht aus, dass Strache als Erster durchs Ziel geht. Versucht hat er es schon zweimal. Gleich bei seinem ersten Antreten 2005 ließ er "Duell um Wien" plakatieren. Das Ergebnis war kurz nach der Abspaltung des BZÖ jedoch mager: 14,8 Prozent, Rang 3 hinter der ÖVP und 34,3 Punkte von der SPÖ entfernt. Der kam er 2010 schon deutlich näher, mit 25,8 Prozent (und wieder Rang 2) schrumpfte der Abstand auf 18,6 Prozentpunkte. Und in den aktuellen Umfragen ist davon fast nichts mehr übrig. Was nicht so sehr an Straches Performance liegt, sondern daran, dass das Asylthema den Blauen in die Hände spielt. Überrascht hat Strache zuletzt damit, dass er die von der ÖVP nicht mehr gesetzte Innenstadt-Bezirksvorsteherin Ursula Stenzel auf seine Liste holte. Sein Ziel ist, die 30er-Marke "so weit wie möglich" zu überspringen. Seit Juli liegt die FPÖ in den Umfragen über 30 Prozent. Und die Oberösterreicher haben die Rekord-Marke auf 30,36 Prozent gesetzt - das erste blaue Bundes- oder Landeswahlergebnis außerhalb Kärntens über der 30er-Marke. Das beste Wiener Resultat waren 27,9 Prozent 1996 in der Ära Haider. Eine Absolute ist für Strache nicht in Sicht - und so bräuchte er im Fall der Fälle einen Koalitionspartner. Gefallen würde ihm Rot-Blau, was aber Bürgermeister Häupl strikt ablehnt. Die Grünen und die NEOS wollen auch nicht mit ihm und für Blau-Schwarz wird es wohl nicht reichen.

ÖVP

Der Wiener ÖVP-Chef und -Spitzenkandidat Manfred Juraczka schließt eine Koalition mit der FPÖ nicht aus - und preist seine Partei auch als einzige Alternative zu Rot-Grün in Wien an. Aber der schwarze Beitrag wird wohl nicht reichen. Treffen die letzten Umfragen zu, kann Juraczka froh sein, wenn er die Zehn-Prozent-Marke schafft. Ihm droht nicht nur das schlechteste ÖVP-Ergebnis der Zweiten Republik, also noch weniger als die 11,6 Prozent in Kärnten im Jahr 2004, sondern auch eine zweite ÖVP-"Premiere": Erstmals hinter SPÖ, FPÖ und Grünen nur mehr Vierte zu sein - das wäre das erste Mal für die Volkspartei in den 140 (inklusive Wien) Landtags-und 21 Bundeswahlen seit 1945. Platz 3 ist in Wien fast schon ihr "Stammplatz": Erstmals fiel sie 1991 hinter die FPÖ zurück, dort blieb sie auch, mit Ausnahme nur der Wahl 2005. Juraczkas Ziel in seiner ersten Wahl ist denn auch schlicht "stärker werden" - in der Hoffnung, dass das "bürgerliche" Wien größer ist als die 14,0 Prozent, die 2010 seiner Vorgängerin Christine Marek die Stimme gaben. Das war das historisch schlechteste Wien-Ergebnis der ÖVP. Immerhin stellt sie derzeit noch fünf Bezirksvorsteher - samt der jetzt zur FPÖ gewanderten Ursula Stenzel. Klappt es für ihn nicht wirklich gut, hat Juraczka schon anlässlich des Wahldesaster seiner Oberösterreich-Kollegen mitgeteilt, wo er die Verantwortung sieht: Die Wahl habe gezeigt, wie groß die Verunsicherung der Bevölkerung angesichts der Flüchtlingsströme sei und dass man sich von der Regierungsspitze schon viel früher Leadership erwartet hätte. Die Wiener ÖVP hat das Thema im Wahlkampf eher gemieden und sich stattdessen für die Autofahrer und Einkaufen am Sonntag stark gemacht. Erst Ende September bot man eine "Bürger-Hotline" zum Asylthema an.

NEOS

Die NEOS würden Heinz-Christian Strache nicht zum Bürgermeister machen - und Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger versucht in der letzten Wahlkampfphase ganz intensiv, als Mittel gegen den Aufstieg der FPÖ zu punkten. "Nur eine neue Kraft kann Strache stoppen", war nach der OÖ-Wahl auf den pinken Plakaten zu lesen - und Bundesparteichef Matthias Strolz zog über SPÖ und ÖVP als "die Strache-Macher" her. Für die seit 2013 neu im Nationalrat vertretenen Pinken geht es in Wien um viel. Denn in Oberösterreich und im Mai schon im Burgenland und der Steiermark sind sie bei den Landtagswahlen gescheitert. Die Chancen in Wien stehen besser - und der Spitzenkandidatin ist Wiener Wahlkampf auch nicht neu, war sie doch 2010 als Referentin von Ex-VP-Wien-Chefin Christine Marek mittendrin. Ihr Wahlziel hat Meinl-Reisinger - die im Vorjahr noch zweistellig für realistisch hielt - etwas zurück genommen. Sie nennt keine Zahl mehr. In den Umfragen liegen die NEOS bei sechs bis sieben Prozent. Bei der Nationalratswahl 2013 wählten immerhin 7,7 Prozent der Wiener pink - was noch nicht viel heißt: Sowohl in der Steiermark als auch in Vorarlberg (wo sie es trotzdem in den Landtag schafften) fielen die Ergebnisse deutlich schlechter aus als die NR-Ergebnisse.

Keine Chancen auf den Einzug in den Gemeinderat geben die Meinungsforschern den weiteren Parteien, die am 11. Oktober am Stimmzettel stehen. Wienweit kandidieren "Wien anders" (ANDAS), "Wir wollen Wahlfreiheit" (WWW) und "Gemeinsam für Wien" (GFW), daneben treten noch vier Listen in jeweils nur einem der 18 Wahlkreise an.