Im Kampf gegen die Schlepperkriminalität und als Konsequenz des Flüchtlingsdramas, bei dem 71 Menschen starben, sind am Sonntagabend im Burgenland die angekündigten Schwerpunktkontrollen in der Ostregion angelaufen. Erste Bilanz: 200 Personen wurden aufgegriffen, ebenso fünf Schlepper. "Beginnend mit der Aktion haben wir 54 Beamte ständig im Einsatz, die diese Kontrollen rund um die Uhr durchführen werden", sagte Polizei-Sprecher Helmut Marban.

Der Schwerpunkt liegt dabei beim Grenzübergang zu Ungarn in Nickelsdorf (Bezirk Neusiedl am See). Dahin wurden ab 20 Uhr auch Medienvertreter geladen, die den Kontrollen auf der Ostautobahn (A4) beiwohnen konnten. 15 Beamte waren dort, rund 500 Meter vor der Raststation, im Einsatz. Wurden zu Beginn erst einmal zwei verdächtige Kastenwagen angehalten, sollten im weiteren Verlauf auch Pkw kontrolliert werden.

"Die Aktion betrifft die internationalen Hauptverkehrsrouten. Beamte sind aber auch an anderen Orten im Einsatz. Darauf möchte ich aus kriminaltaktischen Gründen aber nicht näher eingehen", kommentierte Marban das Vorgehen. Dieses wurde von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) am Sonntag in einer Aussendung angekündigt. Diese verstärkten Kontrollen werden zu einem erhöhten Verkehrsaufkommen und zu Staubildung führen. Um Menschenleben zu retten und die Schlepperkriminalität wirksam zu bekämpfen, müssen temporäre Verkehrsbehinderungen in Kauf genommen werden, heißt es.

Diese Behinderungen fielen an einigen Grenzübergängen relativ heftig aus. In Nickelsdorf-Hegyeshalom kam es auf ungarischer Seite zu einem Mega-Stau. Die Fahrzeuge standen bis zu 30 Kilometer zurück. Bei Klingenbach-Sopron waren es sechs Kilometer, bei Deutschkreutz-Kophaza vier Kilometer.

Erste Aufgriffe

Nach rund einer Stunde kam es zu einem ersten sogenannten Aufgriff. Ein Chrysler Voyager mit französischem Kennzeichen wurde gestoppt. Über zehn Flüchtlinge befanden sich darin - neun Erwachsene und drei Kleinkinder sowie der Fahrer. Die Flüchtlinge wurden mit den Worten "Ihr seid in Sicherheit, Ihr seid in Österreich" auf Englisch begrüßt, der Lenker wurde festgenommen. Eine Frau gab an, aus Aleppo in Syrien zu kommen und nach Deutschland zu wollen.

Die Maßnahmen führten zu umfangreichen Staus
Die Maßnahmen führten zu umfangreichen Staus © APA/HERBERT P. OCZERET

Bis Montag Vormittag wurden rund 200 Flüchtlinge erfasst, fünf Schlepper festgenommen. Laut Konrad Kogler, Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, wurden allein im heurigen Jahr bereits 34.000 Geschleppte registriert  im gleichen zeitraum des Vorjahres waren es 9000 gewesen. Ebenso konnte man 628 Schlepper aus dem Verkehr ziehen (277 im Vorjahreszeitraum).

Bei den Kontrollen wurden die aus Ungarn kommenden Fahrzeuge erst von Beamten vorselektiert, die verdächtigen dann angehalten. Inzwischen würden alle Fahrzeuge, vom Pkw bis zum Lkw, als verdächtig eingestuft, sagte Oberstleutnant Andreas Stipsits, stellvertretender Kommandant der Landesverkehrsabteilung. "Noch nie gab es im Burgenland einen Fall wie bei der Tragödie mit den toten Flüchtlingen", so Stipsits. Daher wisse man jetzt, dass eben jedes Fahrzeug für eine Schleppung infrage kommen kann.

Keine Grenzkontrollen

"Das Ziel ist natürlich, diese Schlepperbanden zu bekämpfen. Was hier passiert, sind verkehrspolizeiliche und sicherheitspolizeiliche Kontrollen. Es werden hier keine Grenzkontrollen durchgeführt", stellte Marban klar; letztere würden auch dem Schengen-Abkommen widersprechen. Des weiteren hielt Marban fest, dass - unabhängig von der Zahl der möglichen Aufgriffe der Schwerpunktaktion - Erkenntnisse für die weitere Vorgehensweise gegenüber den Schleppern gewonnen werden können. Ebenso ist die Aktion dafür gedacht, um seitens der Exekutive Präsenz zu zeigen. Diese ist über mehrere Tage geplant, "das Ende möchte ich aber noch offen halten."

Die im Burgenland gestarteten Kontrollen - sie sind mit den Behörden in Ungarn, der Slowakei sowie Bayern akkordiert - werden im Verlauf der Nacht auf die anderen Bundesländer der Ostregion ausgeweitet, sagte Innenministeriums-Sprecher Alexander Marakovits zur APA. Das Burgenland soll am Montag weitere Unterstützung erhalten: "Wir werden bereits heute von 20 Kollegen aus Wien verstärkt und ich gehe einmal davon aus, dass Anfang nächster Woche die kolportieren Kollegen und Kolleginnen aus den Bundesländern Steiermark und Kärnten zu uns stoßen werden", erläuterte Marban.

Verdächtige amtsbekannt

Inzwischen weiß man, dass zwei der vier Männer, über die nach dem Tod von 71 Flüchtlingen in einem Lkw auf der Ostautobahn (A4) von einem ungarischen Gericht Untersuchungshaft verhängt wurde, offenbar amtsbekannt sind. Sie sollen bereits vor dem Fall im Burgenland wegen des Verdachts auf Schlepperei in das Visier der Polizei geraten sein, schreibt das Internetportal "Nol.hu" am Montag.

Die Männer, drei Bulgaren und ein Afghane, stehen unter Verdacht, für den grausigen Tod von 71 Flüchtlingen in einem Kühltransporter auf der Ostautobahn (A4) verantwortlich zu sein. Am Sonntag wurde ein weiterer verdächtigter Bulgare verhaftet.

Laut dem ungarischen Nachrichtenportal wird gegen die fünf Verdächtigen nicht wegen Mordverdachts, sondern wegen organisierten Menschenschmuggel ermittelt. Dafür könnte in Ungarn eine Strafe von zwei bis 16 Jahren verhängt werden. Die Untersuchungshaft ist noch nicht rechtskräftig, da die Verdächtigen Berufung einlegten. Zwar gebe es noch keinen diesbezüglichen Beschluss, doch würden die Behörden die in Ungarn verhafteten Verdächtigten mit hoher Wahrscheinlichkeit innerhalb kürzester Zeit an Österreich ausliefern, schrieb "Nol.hu". Wie die Nachrichtenagentur BTA berichtete, ermittelt auch die bulgarische Sicherheitsbehörde SANS in diesem Fall.

37 Tote vor Libyen

Unterdessen reißt der Strom von Schreckensmeldungen nicht ab. Beim Untergang eines Flüchtlingsbootes vor der libyschen Küste sind mindestens 37 Menschen gestorben. Fischer hätten in der Nähe der Stadt Choms östlich von Tripolis mehr als 30 Leichen entdeckt, erklärte ein Sprecher des Roten Halbmondes am Sonntagabend. Die Mitarbeiter der Hilfsorganisation versuchten, die Toten zu bergen. Ihnen fehlten aber Boote. Zunächst war von sieben Toten die Rede gewesen.