Das geplante Verfassungsgesetz ist Teil eines fünf Punkte umfassenden Programms, das auch noch die Erhöhung des Tagsatzes für unbegleitete Minderjährige von 77 auf 95 Euro pro Tag vorsieht. Die jährlichen Mehrkosten dafür werden mit 32 Millionen Euro beziffert. Zudem geplant ist eine Regierungs-"Task Force", eine "Entlastung" des Lagers in Traiskirchen und das Anstreben einer "gemeinsamen europäischen Lösung".

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) betonten, dass die verfassungsrechtliche Ermächtigung ausschließlich Liegenschaften betreffen werde, die im Einflussbereich des Bundes stehen. Die Verfassungsänderung soll es dem Innenministerium ermöglichen, "Widmungen und baubehördliche Verfahren", für die derzeit Gemeinde oder Bundesland zuständig sind, selbst durchzuführen, um so Flüchtlingsquartiere zu schaffen.

In Kraft treten soll das Gesetz so bald wie möglich, die beiden stellen auch eine Sondersitzung des Nationalrats in den Raum. Faymann räumte zwar einen "schweren Eingriff" in die Verfassung ein, ortet aber in den Ländern eine "gewisse Grundbereitschaft". Zudem braucht es die Stimmen von FPÖ oder Grünen für die nötige Zweidrittelmehrheit.

Die FPÖ kündigte bereits an, nicht bei der geplanten Verfassungsänderung mitzugehen. Für eine "Entmündigung" von Ländern und Gemeinden stehe man "sicher nicht zur Verfügung", teilte Parteichef Heinz-Christian Strache mit. Die Grünen indes signalisierten Verhandlungsbereitschaft, die erste Reaktion von Bundessprecherin Eva Glawischnig fiel vorsichtig positiv aus.

Mitterlehner stellte eine Befristung dieser Maßnahme in den Raum, um den Ländern zu signalisieren, dass man nicht dauerhaft overrulen wolle. Außerdem solle die Bestimmung für Gemeinden "ab 2.000 Einwohner" gelten, hielt er fest: "Wir tragen das Problem nicht zu jedem Landbürgermeister." Und man werde die "Ersatzvornahme" ausschließlich dort zum Einsatz bringen, wo die Quote nicht erfüllt werde - niemand müsse sich fürchten, dass der Bund zusätzliche Quartiere installieren werde, wenn das Soll erbracht wurde, versichert die Regierungsspitze. Die Gemeinde können sich auch zusammenzuschließen bzw. Asylwerber untereinander aufteilen.

Realistische Schätzungen, wie viele Plätze so geschaffen werden könne, traut sich die Regierung noch nicht zu. Mitterlehner, der auch Wirtschaftsminister ist, verwies aber auf allein 38 Objekte in seinem Bereich, die derzeit verhandelt oder geprüft würden.

Dass die Landeshauptleute diesen Plänen euphorisch zustimmen werden, erwartet die Regierung nicht. Faymann rechnet mit "Diskussionen", wie er sagte, allerdings glaubt er an eine "gewisse Grundbereitschaft" bei den Landeschefs. Mitterlehner hat bereits mit einigen gesprochen, berichtet er - "die tragen das im Wesentlichen mit". Und Gemeindebund-Präsident Helmuth Mödlhammer (ÖVP) habe bereits in der Vergangenheit einen ganz ähnlichen Vorschlag gemacht, hofft man auch in den Bürgermeisterämtern auf Verständnis.

Mödlhammer begrüßte dann auch prompt die neuen Regeln für die Flüchtlingsunterbringung. Die Regierung habe weitgehend seinen Vorschlag übernommen, ist Mödlhammer sowohl mit der Deckelung von ein bis zwei Prozent für die Gemeinden als auch damit zufrieden, dass die Bürgermeister "aus der baurechtlichen Verantwortung genommen" werden.

Die Regierungsspitze kündigte überdies die Einrichtung einer Asyl-"Task Force" an. Diese wird von Faymann und Mitterlehner geleitet, weitere Mitglieder sind Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ), Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) sowie Josef Ostermayer (SPÖ), "Verfassungsminister" im Kanzeramt. Die Task Force soll die Innenministern "unterstützen", kündigte Faymann an, und jede Woche nach dem Ministerrat tagen, allenfalls unter Beiziehung von Experten.

Faymann und Mitterlehner betonten auch, dass sie mit den heute präsentierten Maßnahmen mitnichten glauben, das Unterbringungsproblem in Österreich gelöst zu haben. Es handle sich um eine "Sisyphos-Aufgabe", sagte der Vizekanzler.

Maßnahmen zur Vereinfachung der Unterbringung von Flüchtlingen präsentierte am Freitag auch das Innenministerium. So sollen Asylwerber nach der Erstaufnahme auch direkt an die Hilfsorganisationen übergeben werden können, sagte Ressortchefin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). Zudem sollen in den Ländern "Single Points Of Contact" geschaffen werden.

Bisher war es lediglich möglich, dass Asylwerber nach der Erstaufnahme in den Verteilquartieren direkt den Bundesländern angeboten werden. Dieser Schritt funktioniere derzeit nicht, bedauerte Peter Webinger, der im Innenministerium für das Asylwesen zuständig ist. Mit der direkten Schiene zu Hilfsorganisationen wie Caritas, Diakonie und Hilfswerk werde nun eine zusätzliche Möglichkeit geschaffen. Dies sei auch mit den NGOs abgestimmt, betonte Webinger.

Eine weitere Erleichterung bei der Unterbringung von Asylwerbern in den Ländern erhofft sich das Innenministerium durch die Schaffung der "Single Points Of Contact". Dort würden Bund, Länder, die Polizei, wie auch die Hilfsorganisationen ihr Wissen um verfügbare Unterkünfte bündeln. In jedem Land solle es eine solche Stelle geben. "Es wird daher eine Zusatzschiene eröffnet", erläuterte Webinger. Man wolle künftig stärker auf die Föderalstruktur und damit kleinere Einheiten bauen. Auch die Administration dieser Stellen laufe vor Ort ab.