Die Menschenrechtsorganisation ist besorgt, dass Massenobdachlosigkeit unter Asylwerbern im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen herrscht.

Amnesty International will die Flüchtlingssituation in der Bundesbetreuungsstelle Traiskirchen und generell österreichweit prüfen. Dies wurde beim Innenministerium beantragt. Amnesty Österreich wurde von der "Zentrale" beauftragt, eine international autorisierte Research-Mission durchzuführen, bestätigte Amnesty Österreich-Generalsekretär Heinz Patzelt.

Stimmt das Innenministerium zu - was wohl wahrscheinlich ist - wird ein Team aus Menschenrechtsexperten, Ärzten, Dolmetschern und Dokumentaristen erheben, wie die Flüchtlinge in Österreich untergebracht sind. Eine solche Prüfung ist für mitteleuropäische Länder eher ungewöhnlich - "man kann sagen, dass demokratisch und rechtsstaatlich gefestigte Länder so etwas im Schnitt nur alle zehn Jahre erleben", sagte Patzelt. Offenbar seien internationale Beobachter angesichts der Bilder aus Traiskirchen besorgt, dass in Österreich "Massenobdachlosigkeit" unter Asylwerbern herrscht. Als einen Schwerpunkt der Prüfung nennt Patzelt die Situation "unbegleiteter Minderjähriger".

Das Innenministerium prüft derzeit den Antrag von Amnesty zur Überprüfung der Unterbringungs-Situation von Flüchtlingen in Österreich.

Das Ministerium werde noch heute im Laufe des Tages oder spätestens morgen darüber ein Entscheidung treffen. Rechtliche Grundlage für eine etwaige Genehmigung sei die "Betreuungseinrichtungen-Betretungsverordnung", erläuterte der Ministeriumssprecher.

Aufnahmestopp

Das Innenministerium hat für kommende Woche einen Aufnahmestopp für die völlig überfüllte Bundesbetreuungsstelle in Aussicht gestellt. Angesichts der unhaltbaren Zustände mit Hunderten Obdachlosen auf dem Gelände wird das Innenressort aller Voraussicht nach neue Notquartiere schaffen.

Offiziell haben die Länder noch bis Samstag Zeit genügend Ressourcen zu schaffen, um eine Entlastung in Traiskirchen zu ermöglichen. Immerhin beherbergt die örtliche Aufnahmestelle, die für rund 1.800 Personen ausgelegt ist, mittlerweile etwa 4.500 Flüchtlinge. Doch es gilt als höchst unwahrscheinlich, dass bereits in den kommenden Tagen genug Unterkünfte seitens der Länder angeboten werden, um zu einer echten Entspannung der Lage beizutragen.

Pröll macht Druck

Druck kommt unterdessen von Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP), der gestern in der "ZiB 2" kundtat, eine gesundheitspolitische Untersuchung in Traiskirchen angeordnet zu haben. Denn es gebe die latente Gefahr von Epidemien und Seuchen. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) wiederum kündigte gestern in der "ZiB 1" an, Traiskirchen als Anlaufstelle zu stoppen, "wenn die Bundesländer bis zum 31. Juli keine tragfähigen Konzepte auf den Tisch legen".

Da auch die bereits in Betrieb befindlichen Verteilerquartiere in den Ländern voll sind, müssen wohl seitens des Bunds neue Ressourcen geschafft werden. Aus dem Innenministerium hieß es auf Anfrage der APA, dass man an der Bereitstellung von notdürftigen Quartieren arbeite.

Hotels anmieten

Auf Details will man sich vorerst nicht einlassen. Als möglich gilt beispielsweise, dass wie beim umstrittenen Quartier in Spital am Semmering im Vorjahr jetzt wieder größere, allenfalls leer stehende Hotels angemietet werden, um dort größere Flüchtlingsgruppen unterbringen zu können. Auch weitere Zeltstädte sind nicht auszuschließen. Eher unwahrscheinlich sind Container-Lösungen, da hier in den meisten Bundesländern die Zustimmung der Gemeinden notwendig wäre.

Mit dem sich anbahnenden Aufnahmestopp in Traiskirchen würde das Innenministerium einem Appell des UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR entsprechen. Die Situation sei "untragbar, gefährlich und menschenunwürdig", meinte Christoph Pinter, der Leiter von UNHCR Österreich, anlässlich eines Besuchs in Traiskirchen. Es brauche äußerst rasch kurzfristige Übergangslösungen, um die Obdachlosigkeit zu beenden.

"Task Force gründen"

Das UNHCR geht davon aus, dass aufgrund der weltweiten Krisen die Zahlen der Asylsuchenden global und auch in Europa auf hohem Niveau bleiben werden: "Wir schlagen vor, eine Task Force zu gründen, um eine mittel- und langfristige Strategie im Asylbereich zu erarbeiten." Vordringlich erscheint Pinter dabei auch eine Erhöhung der Tagsätze für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, um adäquate Betreuungsplätze für sie zu finden.

Die oberösterreichische Gemeinde St. Georgen im Attergau, wo sich die Erstaufnahmestelle Thalham für Flüchtlinge befindet, nahm vorerst von einer angedrohten Blockade der Westautobahn (A1) Abstand. Aber man verlangt ein Vertragswerk, dass langfristig dort nicht mehr als 120 Personen untergebracht werden. Das hat Bürgermeister Ferdinand Aigner (ÖVP) auf APA-Anfrage am Mittwoch mitgeteilt.

Die Zahl 120 hatte das Innenministerium nach wiederholten Protesten einst zugesichert. Deswegen war die Empörung groß, als zuletzt - Aigner sagt: "überfallsartig" - Zelte errichtet worden waren, um bis zu 300 Personen unterbringen zu können. Die Zelte wurden inzwischen wieder abgebaut. Aber es halten sich dort noch immer 180 Personen auf.