Der Verfassungsgerichtshof (VfgH) hat das Hypo-Sondergesetz aus 2014 - also den damit verfügten ersten Schuldenschnitt - zur Gänze aufgehoben. Eine "Reparaturfrist" gibt es nicht. Das Höchstgericht ortete einen Verstoß gegen das "Grundrecht auf Schutz des Eigentums". Der Bund habe mit dem Haircut auf Nachranganleihen der früheren Hypo Alpe Adria (heute: Heta) Gläubiger unterschiedlich behandelt. Der Präsident des Verfassungsgerichtshofes, Gerhart Holzinger, präsentierte die Entscheidung heute um 10 Uhr in einer Pressekonferenz.

Mit dem ersten Schuldenschnitt, der im August 2014 in Kraft trat, wurden über Nacht Hypo-Nachranganleihen trotz Kärntner Landeshaftung per Gesetz wertlos, damit ließ der Staat Nachranggläubiger mit rund 800 Millionen Euro bluten. Auch die ehemalige Hypo-Mehrheitseigentümerin BayernLB wurde gezwungen, Geld in den Wind zu schreiben.

Experte Funk: "Es wird teurer"

Wesentlich im Erkenntnis des Höchstgerichtes ist nun auch, dass der Gesetzgeber Landeshaftungen nicht im Nachhinein für wertlos erklären kann. Ein Haftungsschnitt für eine bestimmte Gruppe von Nachranggläubigern, während die Haftungen für alle anderen weiter bestehen, sei unverhältnismäßig und verfassungswidrig, so die Höchstrichter. Den gesetzlichen Griff auf gesetzliche Haftungen - also die Kärntner Landeshaftungen - sieht das Höchstgericht ganz generell als verfassungswidrig, und zwar als Verstoß gegen das Grundrecht auf Schutz des Eigentums. Auch der Hinweis auf die prekäre Lage des Landes Kärnten durfte demnach kein Argument sein.

Zahlreiche Gläubiger waren gegen das Gesetz vor Gericht gegangen. Der Präsident des Verfassungsgerichtshofes nennt das Erkenntnis "von ganz grundsätzlicher Bedeutung". Was immer jetzt und in Zukunft zur Bewältigung des Hypo-Desasters passiere: Dieses Erkenntnis habe die Grenzen aufgezeigt, die dem österreichischen Gesetzgeber aufgrund der Grundrechte in der Verfassung gesetzt seien.

Verfassungsrechtler Bernd Christian Funk sieht nun höhere Kosten auf den Staat zukommen. "Es ist absehbar, dass es teurer wird", sagte der Professor vom Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Uni Wien dem Ö1-Mittagsjournal. Es gehe nun in Richtung eines Totalschadens für die Steuerzahler.

Heta-Verlust von 800 Millionen Euro

Bei der staatlichen Hypo-Alpe-Adria-Nachfolgegesellschaft Heta wird durch den Spruch der Verfassungsrichter - der den vorjährigen ersten Haircut über 1,6 Milliarden Euro gekippt hat - das Bilanzloch wieder tiefer. Die Bad Bank Heta weist deshalb schon für die Bilanz zum ersten Halbjahr 2015 mehr als 800 Millionen Euro Verlust aus.

Der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU) sieht sich im Hypo-Spruch des Verfassungsgerichtshofs in Wien bestätigt. "Das Hypo-Gesetz ist verfassungswidrig", ließ er in einer Stellungnahme gegenüber der APA wissen. "Wir haben vollumfänglich Recht behalten. Der Vergleich mit der Republik Österreich basiert genau auf dieser Rechtsposition."

Die Uniqa begrüßt den Entscheid ebenfalls und teilte  weiters mit, dass man "auch weiterhin alle bestehenden Rechtsmittel ausschöpfen" werde: "Um zu unserem Recht zu kommen." Dies gelte insbesondere für das von der Finanzmarktaufsicht (FMA) als Abwicklungsbehörde verhängte Schuldenmoratorium bei der Heta, aber auch "etwaige sonstige Abwicklungsmaßnahmen der FMA, wie etwa einen Schuldenschnitt". Gegen das Schuldenmoratorium hat die Uniqa - wie auch andere - bereits "Vorstellung" erhoben.

Experte: Aufhebung wäre bedeutungslos

Eine Aufhebung des Hypo-Sondergeseztes ist nach Ansicht des Verfassungsrechtlers Heinz Mayer aber "praktisch bedeutungslos". Inzwischen gebe es nämlich das Bankenabwicklungs- und Sanierungsgesetz (BaSAG) vom Dezember 2014, das ein recht ausgewogenes System mit einer nicht-diskriminierenden Gläubigerbeteiligung sei, so Mayer.

"Strittige Fragen sind aber nach wie vor, ob dieses Gesetz zum Beispiel auf Forderungen der Bayern anzuwenden ist", sagte Mayer. Die Hypo-Abbaueinheit Heta "ist nämlich kein Kreditinstitut im Sinne des BaSAG, und das eröffnet jetzt jede Menge Streitfragen". Wenn die Heta nach europäischem Recht tatsächlich nicht dem BaSAG unterliege, "dann würde das BaSAG die Forderungen der Bayern nicht umfassen. Das deutsche Gericht dürfte sich auf diesen Standpunkt gestellt haben."

Was bedeutet das für Auslandsforderungen?

Mit dem BaSAG werde zwar eine europäische Richtlinie umgesetzt, die nur Kreditinstitute erfasse, erklärte Mayer. Das österreichische BaSAG umfasse aber auch die Heta. Das gelte zwar innerstaatlich, "die Frage ist aber: Was hat das für eine Wirkung für Auslandsforderungen? Ich glaube gar keine", meinte Mayer. "Wenn die deutschem Recht unterliegen, dann hat das deutsche Gericht völlig zurecht gesagt 'Das interessiert uns nicht'." Daher könne der Schuldenschnitt durch das österreichische Gesetz, soweit es sich nicht auf die Richtlinie stützen kann - "und das wäre bei der Heta wohl der Fall" - nicht greifen, meint der Jurist.

In diesem Fall wäre der geschlossene Vergleich zwischen Österreich und Bayern zulässig. Wenn die Forderungen der Bayern aber von diesem Gesetz doch erfasst seien, dann sei das ein Problem, "weil Sie können ja nicht in einem laufenden Konkursverfahren einen Vergleich mit einem Gläubiger schließen." Das wäre sogar strafbar, sagte Mayer.