Er wisse nicht, ob die Öffnung von Kasernen für die Unterbringung von Flüchtlingen nötig sei, so Freistetter. Die Frage sei, welche menschenwürdigen Quartiere man finden könne. Die Öffnung von Kasernen sei eine Möglichkeit. "Ich halte es trotzdem für keine dauerhafte Lösung." Das gelte auch für kirchliche Gebäude wie Pfarrhöfe. Das sei aber natürlich besser als Zelte oder Obdachlosigkeit.

Der Schlüssel für die Lösung des Flüchtlingsproblems "wäre eine europäische Lösung und die Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in den Herkunftsländern. Da führt kein Weg daran vorbei." Es sei keine Dauerlösung, die Flüchtlinge nur aufzunehmen, sich aber nicht um die Ursachen für deren Flucht zu kümmern. Grundsätzlich sieht der Bischof in der österreichischen Bevölkerung "viel Potenzial" und "Bereitschaft", mit dem Problem umzugehen. Das werde aber momentan "von viel Angst und Polemik überlagert".

Angst sei auch in der Debatte um den Islam ein "schlechter Ratgeber", sagte Freistetter. Angst entstehe aus "mangelnder Kenntnis und mangelndem Kontakt". Überhaupt sehe er hier weniger ein religiöses als vielmehr ein kulturelles Problem. Denn je näher Menschen geografisch einander sind, desto weniger Konflikte gebe es. Freistetter trat entschieden dagegen auf, den Islam als Religion zu verunglimpfen und mit verallgemeinernden Aussagen wie "der Islam ist rückständig" vorzuverurteilen. "Der Islam ist eine ungeheuer vielfältige, kulturelle Erscheinung." Man tue dieser Religion unrecht, wenn man die Terrormiliz IS als die typische Ausprägung des Islams darstelle. "Das ist sicher nicht richtig. Das ist ungefähr so, als würde man sagen, die paradigmatische Ausprägung der Kirche ist die Inquisition gewesen."

Es gebe selbstverständlich auch Spannungen, aber die Wertschätzung aller Religionen, wie es die katholische Kirche für sich festgelegt habe, sei wichtig. Daher zeigte sich Freistetter auch sehr erfreut darüber, dass das Bundesheer neuerdings einen eigenen Imam hat. Schon in der Monarchie habe es eine islamische Militärseelsorge für die muslimischen Soldaten aus Bosnien gegeben. Und es gebe auch in anderen europäischen Staaten und in der US-Armee eine islamische Seelsorge. Der Imam sei ein Zeichen, dass Österreich und das Bundesheer die Religionsgemeinschaften ernst nehmen und ein Zeichen, dass der Islam und die Werte eines demokratischen, europäischen Rechtsstaates "selbstverständlich vereinbar sind".

Dass die Zahl der Muslime unter den Grundwehrdienern ständig steigt, macht dem Bischof keine Sorgen. "Die Gesellschaft verändert sich. Es gibt kein Abonnement auf gesellschaftliche Zustände, die es einmal gegeben hat. Wir werden uns den Herausforderungen der Zukunft stellen." Auch vor Islamisten beim Militär hat der Kirchenmann keine Angst, denn das Bundesheer gebe hier schon bei der Stellung auf mögliche Gefahren acht.

Als wichtigen Schwerpunkt der Militärseelsorge nannte Freistetter Auslandseinsätze. Soldaten im Einsatz hätte ein erhöhtes Bedürfnis nach menschlicher Begleitung, die Diözese versuche daher, trotz Personalnot für die Auslandssoldaten da zu sein.

Auf die budgetäre Situation des Bundesheeres angesprochen, zeigte sich der Bischof nicht sehr besorgt. Er gehe davon aus, dass jede Bundesregierung bemüht sei, die verfassungsmäßigen und gesetzlichen Aufgabenstellungen bestmöglich zu erfüllen. Er könne sich nicht vorstellen, dass ein Kaputtsparen des Bundesheeres ein Ziel sei. Es habe beim Militär immer schon unterschiedliche politische Strömungen gegeben und das Bundesheer sei immer wieder umstrukturiert worden.