Mythos 1: Die EU ist ein Zentralstaat, wo Österreich nichts mitzureden hat.

Antwort: Ja und nein. Dass immer mehr Kompetenzen nach Brüssel abwandern, ist keine Frage. Bei jeder Vertragsänderung werden die Rechte der EU-Behörden – mit Zustimmung der Nationalstaaten – ausgebaut. Das passiert nicht ohne Grund: Krisen wie die Ukraine oder Nahost, der Klima- und Umweltschutz, die Flüchtlingswelle, die Finanz- oder die Wirtschaftskrise können nicht von einem Nationalstaat im Alleingang gelöst werden. Dass wir in Brüssel nichts mitzureden haben, ist einfach falsch. Praktisch jede einzelne Richtlinie, die seit unserem Beitritt 1995 beschlossen wurde, wurde mit Zustimmung eines österreichischen Ministers beschlossen.

Mythos 2: Die EU ist undemokratisch – ohne Initiativrecht für EU-Parlament.

Antwort: Nein und ja. Die EU ist ein Zwitter – weder Bundesstaat noch Staatenbund. Deshalb ist die EU nicht mit einem Staat vergleichbar. Undemokratisch? Das EU-Parlament wird durch Volkswahl ermittelt,  Kommissionspräsident und Kommissare werden von den Vertretern der Nationalstaaten, den Premiers, bestellt – und müssen vom EU-Parlament gewählt werden.  1999 hat Straßburg die Kommission per Misstrauensantrag in die Wüste geschickt. Das Initiativrecht hat die Kommission. Läge es beim Parlament, müsste es eine EU-Regierung geben. Österreich hätte dann den Status eines US-Bundesstaates, der Kanzler den eines Gouverneurs.

Mythos 3:Der Schweiz geht es besser. Folgen wir dem Schweizer Modell!

Antwort: Es stimmt, dass die Schweizer bessere Arbeitslosenzahlen aufweisen, andererseits bereitet die Entkoppelung des Franken vom Euro Bern großes Kopfzerbrechen. Seit dem Beitritt hat sich Österreich der Schweiz wohlstandsmäßig angenähert. Fritz Breuss, renommierter Wirtschaftsexperte, hat in einem Ländervergleich festgestellt, dass der EU-Beitritt, die Osterweiterung, der Euro Österreich einen deutlichen Wachstumsschub (jeweils zwischen 0,5 und einem Prozentpunkt) gebracht haben. Im Übrigen: In der Schweiz wird in der Zwischenzeit jede einzelne Gesetzesmaterie eingehend auf ihre EU-Kompatibilität hin überprüft. 

Nationalrat
Nationalrat © (c) APA/HANS PUNZ (HANS PUNZ)

Mythos 4:Die EU führt uns wirtschaftlich in den Abgrund. 

Antwort: Naja. Sieht man sich die einzelnen EU-Länder an, scheint es vermessen zu sein, alle Staaten über einen Kamm zu scheren. In Österreich schwillt die Arbeitslosigkeit an, in Deutschland ist sie rückläufig. In Schweden ist das Pensionsproblem gelöst, in Österreich nicht. Das Bauernsterben macht vor den EU-Grenzen nicht halt, ein Blick in die Schweiz genügt. Und auch die Schweiz musste zig Milliarden nach Lehman zur Rettung der eigenen Banken aufwenden. Was zumindest stimmt: Die EU ist mit ihrem im Jahr 2000 gefassten Vorhaben, bis 2010 zur wirtschaftlich führenden Macht aufzusteigen, kläglich gescheitert.

Mythos 5:Wären wir nicht bei der EU, müssten wir keine Milliarden abliefern.

Antwort: Ja, es stimmt, dass Österreich eine Milliarde netto in Brüssel abliefert. Das ist der Preis für unsere Mitgliedschaft. Übrigens: Wir zahlen 2,8 Milliarden ein. Von den 1,8 Milliarden, die zurückfließen, erhalten die Bauern den Löwenanteil. 

Mythos 6:Der Beitritt hat Österreichs Neutralität beseitigt. 

Antwort: Jein. Militärisch sind wir mehr oder weniger immer noch neutral, politisch ist die Neutralität längst Geschichte. Seit 1995 tragen wir alle EU-Sanktionen, EU-Embargomaßnahmen politisch und ökonomisch mit. Ein Alleingang ist nicht mehr möglich.