Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ), Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) und Schelling führten unisono jenen Ministerratsvortrag ins Treffen, mit dem sich die Regierung umfangreiche Maßnahmen gegen Steuerbetrug vorgenommen hatte, um die Steuerreform gegenzufinanzieren. Und die Defacto-Abschaffung des Bankgeheimnisses gehört dazu. Es gebe einen "einstimmigen Beschluss, was die Vorgangsweise anbelangt", sagte Mitterlehner, der dies im übrigen explizit "als Parteiobmann" der Volkspartei sagte. Faymann verwies auf den "Ministerratsvortrag, der politisch beschlossen wurde".

Im gleichen Atemzug wurden die jüngsten Aussagen von ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka zurückgewiesen, der die Beamten im Finanzministerium als Urheber überbordender Maßnahmen im Gesetzesentwurf sah. Es handle sich nicht um einen "Expertenentwurf", hielt ÖVP-Obmann Mitterlehner fest. Und Faymann sagte: "Da sind nicht irgendwelche Beamten schuld", vielmehr nehme die Politik "eine klare Haltung" ein.

Jetzt soll einmal das Begutachtungsverfahren zu Ende gehen, und alle Vorschläge würden diskutiert, lautete das Wording am Mittwoch beim Ministerrat. Es sei dabei jedem unbenommen, seine "Meinungen" zu äußern, so Schelling. Allerdings "verstehe ich die Aufregung nicht", bzw. hat doch eine Erklärung parat: Zumindest bei den Wortmeldungen aus dem Burgenland und der Steiermark sei wohl "der Wahlkampf ein Treiber der Diskussion".

Unbestritten ist Schellings Ansicht nach, dass die geplanten Maßnahmen "notwendige Instrumente" zur Steuerbetrugsbekämpfung seien. In der Debatte werde auch nicht immer richtig argumentiert. Mitnichten sei eine generelle Konteneinschau geplant, "es kann niemand hineinschauen ohne Verfahren". Es werde "keine Willkür, keine Schnüffelei" geben, versprach er. Denn: Lückenlose Dokumentation, "Vier-Augen-Prinzip" und einen unabhängigen Rechtsschutzbeauftragen werde man gewährleisten, wenn es denn gewünscht werde, so Schelling. Kontoeinsicht soll überdies ausschließlich erfolgen, wenn die Finanzbehörden bereits ermitteln, ärgerte sich der Finanzminister darüber, dass die Pläne oft zu verkürzt dargestellt würden.

Dass künftig vor einer Einschau auf Konten ein Richter entscheiden soll, wird von Regierungsseite abgelehnt. Das wäre ein Rückschritt gegenüber des Status quo, argumentiert die SPÖ. Mitterlehner sieht internationale Standards als Vorbild, und eine Richter-Hürde sei nirgends üblich.

SPÖ-Finanzstaatssekretärin Sonja Steßl ging jedenfalls davon aus, dass die Vereinbarung mit dem Koalitionspartner halte. Sie warnte vor einem Rückschritt, den etwa eine generelle Vorab-Prüfung durch einen Richter bei der Konteneinschau darstellen würde. Denn schon nach bisheriger Rechtslage seien die Finanzämter erste Instanz bei Finanzstrafverfahren und könnten nach Eröffnung eines solchen in die Konten schauen.

Das Team Stronach pochte am Mittwoch auf die Beibehaltung des Bankgeheimnisses - man kämpft weiter gegen "einen Bespitzelungsstaat", so Klubobfrau Waltraud Dietrich. NEOS-Chef Matthias Strolz sah für die Koalition nach dem jüngsten Wirbel eigentlich keinen Weg mehr an einer richterlichen Kontrolle vorbei. Die beiden Oppositionsparteien haben ja eine Sondersitzung im Nationalrat zum Thema beantragt, die für 8. Juni anberaumt wurde.

Die Industriellenvereinigung kritisierte am Mittwoch ebenfalls die geplante "weitgehende Kontenöffnung" als "massiven Eingriff in die Grundrechte". Arbeiterkammer und ÖGB indes wehrten sich gegen jegliches "Aufschnüren" des Gesamtpakets, denn damit würden nur Steuerbetrüger geschützt, wie AK-Direktor Werner Muhm im "Standard" sagte. GPA-Chef Wolfgang Katzian warnte ebendort davor, einen "Eckpfeiler" der Steuerreform ins Wanken zu bringen.