Der Direktor des Gerichtsmedizinischen Instituts der Medizinischen Universität Innsbruck, Richard Scheithauer, fand Spuren von Zolpidem und Bromazepan. Beide sind als Schlafmittel bekannt. Bromazepan, das zur Gruppe der Benzodiazepine gehört, wird von der Medizin allerdings auch gegen akute Angstzustände und als Beruhigungsmittel eingesetzt. Daneben ließen sich der schmerzstillende und fiebersenkende Arzneistoff Paracetamol sowie zwei Medikamente nachweisen, die Aliyev gegen seine Diabetes sowie gegen Bluthochdruck verschrieben bekam.

Dagegen bestätigten sich im toxikologischen Gutachten die Ergebnisse eines nach dem Leichenfund durchgeführten Schnelltests des Wiener Departments für Gerichtsmedizin nicht, der noch Hinweise auf Barbiturate im Blut Rakhat Aliyevs ergeben hatte. Die Derivate der Barbitursäure sind als Betäubungsmittel einsetzbar. Diese Substanzklasse ist in Österreich als Medikament fast gänzlich verboten. Die nun vorliegende Expertise fand keine Hinweise auf Barbiturate.

Für die Staatsanwaltschaft Wien enthält das toxikologische Gutachten zum Ableben von Rakhat Alivey "keine Auffälligkeiten", wie Behördensprecherin Nina Bussek am Freitag gegenüber der APA betonte. "Die genannten Wirkstoffe konnten festgestellt werden, entsprechen in ihrer Menge aber einer Medikation", so Bussek.

Aliyev habe in der Justizanstalt wegen diverser gesundheitlicher Probleme mehrere Medikamente verschrieben bekommen, betonte Bussek. Die Anklagebehörde, die von Amts wegen die Umstände des Aliyev-Ablebens untersucht, wartet jetzt vor allem auf das zweite, noch nicht vorliegende Obduktionsgutachten, das beim Institut für Rechtsmedizin in St. Gallen in Auftrag gegeben wurde. Davon dürfte abhängen, ob weitere Erhebungen in die Wege geleitet werden.

Ob Aliyev alle fünf Medikamente, die bei der toxikologischen Untersuchung nachgewiesen werden konnten, ärztlicherseits verschrieben bekommen hat, ließ sich bei der Staatsanwaltschaft bzw. der Justizanstalt Wien-Josefstadt vorerst nicht in Erfahrung bringen.

Manfred Ainedter, der langjährige Rechtsbeistand Aliyevs, findet "aufklärungsbedürftig", "dass im toxikologischen Gutachten kein Bezug zu dem Schnelltest genommen wird". Abgesehen davon fordert Ainedter im Hinblick auf den nunmehr erbrachten Nachweis von zwei unterschiedlichen Schlafmitteln weitere und vor allem eingehendere Untersuchungen, zumal der Sachverständige Reinhard Scheithauer in seiner Expertise darauf hinweist, dass sich Zolpidem und Bromazepan in ihrer Wirkung "gegenseitig verstärken".

Es sei unabdingbar, jetzt auch das asservierte Leber-, Lungen-, Nieren- und Fettgewebe, den Mageninhalt und die Haare genauestens zu untersuchen, um die Todesursache zweifelsfrei zu klären, verlangte Ainedter im Gespräch mit der APA. Die Staatsanwaltschaft müsse ihr Versprechen wahr machen, umfassend in alle Richtungen zu ermitteln. Dass mit Scheithauer zur Klärung der Todesursache ein Gutachter bestellt wurde, der auch im Doppelmord-Verfahren gegen Aliyev als toxikologischer Sachverständiger fungierte, bezeichnete Ainedter am Freitagnachmittag als irritierend: "Das beweist die mangelnde Sensibilität der Staatsanwaltschaft."

Im Zusammenhang mit dem Aliyevs Ableben sind am Freitag im Prozess gegen zwei ehemalige Mithäftlinge, die den früheren kasachischen Botschafter in der Justizanstalt (JA) Wien-Josefstadt erpresst haben sollen, neue Einzelheiten bekannt geworden. Der Stockchef in der Krankenabteilung der JA hatte in der Nacht, in der Aliyev unter zumindest für seine langjährigen Wiener Rechtsvertreter schwer aufklärungswürdigen Umständen ums Leben kam, noch Kontakt mit dem 52-Jährigen. Der Beamte hatte Nachtdienst, und nachdem er bereits um 18.00 Uhr Aliyev mit Medikamenten versorgt hatte, war er auch bei der letzten Medikamentenausgabe um 22.00 Uhr dabei. Er habe noch mit Aliyev gesprochen, sagte der Justizwachebeamte im Straflandesgericht unter Wahrheitspflicht: "Er war in einem ganz normalen Zustand. So wie immer. Es war nichts Außergewöhnliches."

Grundsätzlich habe er an jenem Tag nichts an Aliyev wahrgenommen, was auf einen Selbstmord hindeuten hätte können: "Es war den ganzen Tag nichts Auffälliges." Am Nachmittag sei der frühere Schwiegersohn des kasachischen Staatschefs Nursultan Nasarbajew von einer Besprechung mit einem seiner Anwälte zurückgekommen und habe dann mit seiner Ehefrau telefoniert. Aliyev habe Wert darauf gelegt, auf Deutsch und nicht auf Englisch angesprochen zu werden, schilderte der Beamte: "Er hat gesagt 'Sprechen Sie Deutsch mit mir, ich muss es lernen'".