"Man kann mehr tun. Es braucht europäische Antworten und eine gerechte Verteilung (...) Es gibt keine nationalstaatliche Lösung, es braucht europäische Konzepte (...) Europa macht nicht nichts. (...) Es gibt keine einfachen, raschen Rezepte", so Sommaruga weiter. Bezüglich eines Verteilschlüssels stimmen Österreich und die Schweiz überein. Im Rahmen von Kontingenten hat sich die Schweiz entscheiden, weitere 3.000 syrische Flüchtlinge aufzunehmen - fast 10.000 Syrer seien bereits im Land.

Österreich unterstützt die Errichtung von Aufnahmelagern in den Herkunftsländern der Flüchtlinge. Für Sommaruga ist das "nicht die oberste Priorität". Die Rettung der Flüchtlinge und Stabilisierung der Herkunftsländer seien vorrangig. Die Schweiz beteiligt sich an der EU-Grenzschutzagentur Frontex und ist Mitglied des Schengen-Abkommens.

Auch für Österreich ist die Aufteilung der Flüchtlinge in Europa "nach einem fairen, vernünftigem Schema" wichtig, ergänzte Fischer. Es müsse auf menschliche und wirtschaftliche Proportionen geachtet werden. "Nur dann ist es fair." Zudem sei es "wichtig", die Mittel der Entwicklungszusammenarbeit (EZA) zu erhöhen.

Die Schweizer Regierung legte jüngst einen Gesetzesentwurf zur Begrenzung der Einwanderung vor, die in einer Volksabstimmung im Februar 2014 gefordert worden war. Der Entwurf sieht die Einführung von Quoten bis 2017 vor. Die Begrenzung der Zuwanderung widerspricht aber dem Freizügigkeitsabkommen mit der Europäischen Union. Brüssel lehnt es bisher ab, das entsprechende Abkommen mit der Schweiz zu ändern.

Sommaruga nannte die Begrenzung "nicht vereinbar mit EU-Prinzipien" und verwies auf "Kontemplationen" zwischen Bern und Brüssel. "Dialog ist der einzige Weg." Über den Inhalt der Gespräche wollte sie auf APA-Nachfrage nichts sagen und sprach von einem "vertraulichen Rahmen".

Bundespräsident Fischer äußerte sich inhaltlich ebenfalls nicht. "Österreich wird das (die Gespräche Bern-Brüssel, Anm.) mit Interesse verfolgen. Österreich wird abwarten, wie die Dinge sich weiter entwickeln, ob die Gespräche EU-Schweiz Resultate erzielen. Ein solcher Dialog ist positiv." Nachsatz: "Eine Volksabstimmung ist ein Faktum in der Politik."

Während Österreich einer möglichen Bespitzelung des Landes durch ausländische Geheimdienste nachgeht, teilt die Schweiz diese Probleme nicht. "Wir haben in der Schweiz keine Informationen über solche Aktivitäten (der BND und der NSA, Anm.)", antwortete Sommaruga auf Frage der APA.

Österreich hatte am Dienstag nach Angaben von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) nach Berichten, dass der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) dem US-Geheimdienst NSA unter anderem bei der Bespitzelung heimischer Behörden geholfen haben soll, Anzeige "gegen Unbekannt" erstattet.

Die Schweiz ist weltweit der drittgrößte Wirtschaftspartner Österreichs - das beidseitige Handelsvolumen beträgt 18 Mrd. Euro - und der viertgrößte Investor. Schweizer stellen die drittgrößte Touristengruppe in Österreich. Mehr als 60.000 Auslandsösterreicher arbeiten in der Schweiz, bis zu 9.000 Grenzgänger gibt es. Österreich kann von der Schweiz laut Fischer lernen, wie Konzerne dauerhaft auf dem internationalen Markt erfolgreich sind.

Auch der Vorsitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) wurde besprochen. Die Schweiz hatte den Vorsitz im vergangenen Jahr inne, Österreich wird den OSZE-Vorsitz 2017 übernehmen.

Im Rahmen ihres eintägigen offiziellen Arbeitsbesuches in Österreich wird Sommaruga auch Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) zu einem Gespräch treffen und die Ausstellung "Europa in Wien - Wiener Kongress 1814/15" im Unteren Belvedere besuchen.

Die Politikerin der Schweizer Sozialdemokraten (SP) hat seit November 2010 im Schweizer Bundesrat (Kollegialregierung) die Leitung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (Ministerium) inne. Sie wurde im Dezember des Vorjahres für das Jahr 2015 zur Bundespräsidentin gewählt. Die Mitglieder des Bundesrats wechseln einander in diesem Amt im Jahresrhythmus ab.