Der Mord an 1,5 Millionen Armenien war zuletzt wieder stärker in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt, da Papst Franziskus und das Europaparlament den Völkermord gegeißelt hatten. Der Papst sprach vom ersten Genozid des 20. Jahrhunderts. Die Türkei reagierte jeweils empört. Sie zog ihren Botschafter aus dem Vatikan ab. Für Präsident Recep Tayyip Erdogan spricht der Papst "Unsinn".

Anders sieht dies nun erstmals das offizielle Österreich. In der gemeinsamen Erklärung der Parlamentsparteien wird auch Zehntausender Angehöriger anderer christlicher Bevölkerungsgruppen im Osmanischen Reich, etwa der Aramäer, Assyrer, Chaldäer und der Pontos-Griechen gedacht, die ebenfalls vor 100 Jahren gewaltsam zu Tode kamen.

In der Erklärung heißt es, dass es Österreichs Pflicht sei, die schrecklichen Geschehnisse als Genozid anzuerkennen und zu verurteilen. Ebenso sei es die Pflicht der Türkei, "sich der ehrlichen Aufarbeitung dunkler und schmerzhafter Kapitel ihrer Vergangenheit zu stellen und die im Osmanischen Reich begangenen Verbrechen an den Armeniern als Genozid anzuerkennen".

Das Verbrechen an den Armeniern mache die Notwendigkeit von Gedächtniskulturen deutlich: "Denn das Bewusstsein für unsere unantastbaren Werte der Freiheit, des Friedens und der Menschenrechte ist untrennbar verbunden mit einem würdigen Andenken an die Opfer von Gewalt, Verfolgung, Vertreibung und Massenmord", heißt es in dem Papier, das am Rande der Nationalratssitzung am Mittwoch öffentlich präsentiert werden soll.

Mehr als 20 nationale Parlamente haben den Völkermord an den Armenien bisher anerkannt. Auch für einen Großteil der Historiker ist der Fall klar. Ein Argument Österreichs, die Gräueltaten nicht als Völkermord anzuerkennen, war bisher, dass die Massaker vor der UNO-Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes 1948 verübt wurden. Freilich fand auch der Holocaust davor statt. Anfang des Monats hatte der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRKÖ) an Bundespräsident Fischer, Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ), Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) und Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) appelliert, die Republik Österreich möge endlich den Völkermord am armenischen Volk anerkennen und "damit dem Beispiel vieler anderer Staaten folgen".

Trotz der nunmehrigen Anerkennung durch den Nationalrat ist Österreich beim zentralen Gedenken an den Völkermord am 24. April in der armenischen Hauptstadt Eriwan nur auf Botschafterebene repräsentiert: Bundespräsident Fischer hat eine Einladung nicht angenommen.