Das neuerliche Flüchtlingsdrama im Mittelmeer mit möglicherweise Hunderten Toten hat am Sonntag auch in Österreich für Reaktionen gesorgt. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) forderte erneut die Einrichtung von UNHCR-Anlaufstellen für Flüchtlinge in Nordafrika. Ähnlich argumentierte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Caritas-Präsident Michael Landau will hingegen "legale Einreise aus Armut".

Bundeskanzler Werner Faymann (SP) nennt die Tragödie eine "Schande für die Menschlichkeit". "Wir brauchen dringend gemeinsame, europäische Lösungen in enger Kooperation mit jenen Ländern und Regionen, aus denen die Menschen flüchten", ließ Faymann wissen. Man könne die Lage nicht länger hinnehmen, sowohl die EU als auch die nationalen Regierungen seien aufgefordert, sofort zu handeln. 

In einem Punkt waren sich alle einig: "Die Todesfahrten müssen endlich beendet werden", formulierte Mikl-Leitner gegenüber der Austria Presse Agentur. Dazu sei ein Paradigmenwechsel notwendig. Ziel müsse sein, dass die Flüchtlinge gar nicht erst in Versuchung kommen, mithilfe von "abscheulichen Schlepperbanden" den Weg über das Mittelmeer nach Europa zu suchen. Österreich habe mit dem "Save Lifes/Leben Retten" genannten Projekt bereits einen Ausweg aus der Krise vorgeschlagen. "Die Kommission hat unseren Vorschlag übernommen und erarbeitet jetzt ein Pilotprojekt", so die Innenministerin.

Nur über UNHCR

In den Lagern des UNO-Flüchtlings-Hochkommissariat (UNHCR) sollte unter sicheren und stabilen Bedingungen eine Erstprüfung stattfinden: "Wer tatsächlich Chance auf Asyl hat, wird dann für das konkrete Verfahren nach Europa gebracht. Den Hilfsbedürftigen muss aber klar gemacht werden, dass sie sich an das UNHCR wenden sollen und nicht an Schlepper. Es muss jedem klar sein, dass nur der sichere Weg über UNHCR nach Europa führt und nicht die Schleppermafia." In welchen Ländern Nordafrikas solche Zentren entstehen könnten, wollte Mikl-Leitner nicht dezidiert definieren. Sie verwies in diesem Zusammenhang aber auf die "Expertise" des UNHCR auf diesem Gebiet und in der Region.

Verteilung auf alle EU-Staaten

Mikl-Leitner forderte auch einen "Verteilungsschlüssel auf ausnahmslos alle EU-Staaten". "Die massive Schieflage in Europa muss beendet werden. Österreich begrüße alle Vorschläge, "die dazu führen, dass es zu einer gerechteren Verteilung der Verantwortung innerhalb der EU bei der Aufnahme von Asylwerbern kommt." Einer Berechnung auf Basis Eurostat für das Jahr 2013 zufolge hätten Portugal, Tschechien, Rumänien, Estland, Slowakei, Lettland und Spanien die größte negative Quotenabweichung in Relation. Die größten "Übererfüller" waren laut Innenministerium Schweden, Malta, Österreich, Luxemburg und Belgien. "Bei einem automatisierten Verteilungsschlüssel hätte etwa Österreich im Jahr 2013 10.275 Asylwerber weniger zu versorgen gehabt."

"Hilfe vor Ort"

FPÖ-Obmann Strache sieht anlässlich des jüngsten "unglaublichen Dramas" die EU und die "internationale Gemeinschaft" gefordert, auf "Hilfe vor Ort" zu setzen. Es brauche Aufnahme- und Unterstützungsmöglichkeiten "in den Krisenregionen der Welt", sagte er in der ORF-"Pressestunde". Er nannte ebenfalls "Auffanglager in Afrika" als Beispiel. "Wir werden doch nicht die Probleme dieser Welt lösen, indem wir alles nach Europa transferieren", will er auch "jene zur Verantwortung ziehen", die so manche Krise ausgelöst hätten, nämlich etwa seiner Ansicht nach die USA. Außerdem müsse Europa in den Quellländern stärker vor Wirtschaftsmigration warnen und andererseits die "Selbsternährungsfähigkeit" in den betroffenen Ländern mittels entsprechender "Projekte" fördern.

Caritas-Chef Landau hegt hingegen Zweifel, ob die vorgeschlagenen Lager in Nordafrika tatsächlich jene Sicherheitsstandards garantieren können, die man von Europa fordern könne. Er forderte ebenfalls ein Umdenken in Europa: "Die EU-Staaten müssen mehr Mittel zur Verfügung stellen, aber nicht für mehr Grenzzäune, sondern für mehr Rettungsboote." Landau erinnerte an das eingestellte italienische Flüchtlings-Programm Mare Nostrum. "Das hat in einem Jahr so viel gekostet wie der kommende EU-Gipfel."

"Legale Einreise aus Armut"

Derzeit sei eine "legale Einreise in Europa aus Armut de facto unmöglich", bedauerte Landau. Menschen auf der Flucht müsse aber die Möglichkeit gegeben werden, Europa legal zu erreichen. Papst Franziskus habe gesagt, dass Mittelmeer dürfe kein "Massenfriedhof" werden, erinnerte Landau. "Laut Schätzungen sind in den vergangenen Jahren aber mehr als 20.000 Menschen dort ertrunken."

Mahnwache

Für Montag hat die Caritas ab 18.00 Uhr gemeinsam mit Organisationen wie dem Roten Kreuz und "SOS Mitmensch" zu einer Mahnwache am Minoritenplatz aufgerufen. Dort befinden sich das Innen- und das Außenministerium. Ein symbolischer Ort also, meint Landau: "Lampedusa grenzt auch an Österreich".

In dasselbe Horn stieß die "asylkoordination österreich" in einer Aussendung. Gefordert wurden Sofortmaßnahmen zur Bergung der Flüchtlinge aus dem Mittelmeer. Es müssten zudem Pläne für die Evakuierung aus Nord-Afrika gemacht werden. Damit Flüchtlinge gefahrlos nach "EUropa" gelangen und hier einen Asylantrag stellen können, müssten legale Einreisemöglichkeiten wie Resettlement, Humanitäre Aufnahmeaktionen und Visa-Erleichterungen ermöglicht werden.