Grund dafür ist, dass die Anklagebehörde den Todesfall umfassend untersuchen lassen will. "Das soll perfekt gemacht werden", betonte Jarosch. Die Ermittlungen würden in enger Absprache mit dem Justizministerium und der Oberstaatsanwaltschaft Wien erfolgen. Auch für Anregungen seitens der kasachischen Behörden und der Rechtsvertreter Aliyevs sei man offen, sagte Jarosch: "Wir machen alles, was möglich ist. Die Kosten spielen dabei keine Rolle. Wir wollen uns später nicht allfälligen Vorwürfen aussetzen, es sei irgendetwas unterlassen worden."

Üblicherweise wird bei gerichtlichen Obduktionen der Leichnam 24 bis 36 Stunden danach freigegeben. Im Fall Aliyev hat das vorläufige Obduktionsergebnis vorerst keine Hinweise auf ein Fremdverschulden ergeben. Die Staatsanwaltschaft geht daher von einem Selbstmord aus, der allerdings von den Rechtsvertretern des Ex-Diplomaten angezweifelt wird. Diese fordern unter anderem die Überprüfung der bisherigen Obduktionsergebnisse durch einen zweiten, unabhängigen Sachverständigen. Die Anklagebehörde steht diesem Ansinnen nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber, ließ Jarosch durchblicken.

Die Staatsanwaltschaft bestätigte außerdem, dass in der Zelle Aliyevs tagebuchartige Aufzeichnungen in kyrillischer Schrift gefunden wurden. In diesem Tagebuch soll - so zumindest die Aussage eines Chefinspektors der Polizei - Aliyev ihm im Gefängnis widerfahrene Einschüchterungsversuche festgehalten haben. "Die Aufzeichnungen werden selbstverständlich übersetzt und ausgewertet", sagte Jarosch. Offen ist, ob sich daraus Rückschlüsse gewinnen lassen, die zur eindeutigen Klärung der Todesursache beitragen. Abschiedsbrief hat Aliyev keinen hinterlassen.

Aus Sicht der Staatsanwaltschaft gibt es derzeit keinen Zweifel, dass Rakhat Aliyev, der sich in wenigen Wochen wegen Doppelmordes an zwei kasachischen Bankern vor einem Schwurgericht zu verantworten gehabt hätte, freiwillig aus dem Leben geschieden ist. Falls es tatsächlich Selbstmord war, dürfte der 52-Jährige dabei zielgerichtet vorgegangen sein und wäre binnen kurzer Zeit bewusstlos gewesen.

Die Mullbinden, mit denen Aliyev sich aus Sicht der Staatsanwaltschaft und der Vollzugsdirektion an einem Kleiderhaken im Nassbereich seiner Zelle erhängt haben soll, stammten aus der Krankenabteilung der JA Josefstadt, wo der herzkranke Ex-Diplomat untergebracht war. Dort können sich die Häftlinge relativ frei bewegen, Aliyev wäre es daher leicht möglich gewesen, die Mullbinden unbemerkt an sich zu bringen.

Sich mit diesem eher ungewöhnlichen Tatwerkzeug das Leben zu nehmen, wäre grundsätzlich kein schwieriges Unterfangen gewesen. Wie gerichtsmedizinischen Lehrbüchern zu entnehmen ist, reicht es beim Erhängen bereits aus, ein Gegengewicht von dreieinhalb Kilogramm zu erzeugen, um das Bewusstsein zu verlieren. Damit hätte sich Aliyev nur in eine aus den Mullbinden gebildete Schlaufe fallen lassen müssen, um sich die Sauerstoffzufuhr zu nehmen. Selbst im Stehen wäre in diesem Fall binnen weniger Sekunden die Bewusstlosigkeit und nach vier bis spätestens fünf Minuten der Hirntod eingetreten.

Als ausgebildetem Geheimdienstler - vor seiner diplomatischen Karriere war Aliyev beim kasachischen KNB tätig - dürften diesem Kenntnisse über die unterschiedlichen Tötungsarten nicht ganz fremd gewesen sein. Die endgültige Klärung der Todesursache wird allerdings noch einige Zeit auf sich warten lassen. Das toxikologische Gutachten - anhand einer Blutuntersuchung soll festgestellt werden, ob und welche Substanzen Aliyev bei seinem Ableben in sich hatte - wird keinesfalls, wie von der Staatsanwaltschaft erhofft, in "einigen Tagen" vorliegen. Experten gehen davon aus, dass jedenfalls zwei bis drei Wochen vergehen werden, ehe die Ergebnisse vorliegen.

Der Kommentar der kasachischen Botschaft zum Tod ihres ehemaligen Vertreters in Österreich, Rakhat Aliyev, ist kurz und bündig: Die kasachischen Behörden bestünden "auf ausführliche und objektive Untersuchung der Todesursachen" und hätten ihre Beteiligung daran angeboten, "wenn die österreichische Seite das akzeptiert", heißt es in einer Stellungnahme gegenüber der APA am Donnerstag.