Wie bewerten Sie den Entwurf, den die Koalitionspartner zur Fortpflanzungsmedizin vorgelegt haben? Ist es ein großer oder ein kleiner Schritt? Ein radikaler oder vorsichtiger Schritt?

ULRICH KÖRTNER: Es ist ein maßvoller Schritt nach vorn, der der gesellschaftlichen Entwicklung in angemessener Form Rechnung trägt.

Warum maßvoll?

KÖRTNER: Es geht um die Zulässigkeit der Samenspende bei der In-Vitro-Fertilisation und der Eizellspende. Bis jetzt war ja beides verboten. Im Sinne des Gleichheitsgrundsatzes ist jetzt auch die Samenspende bei künstlicher Befruchtung im Reagenzglas möglich. Das war ja ein Kritikpunkt vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Man hat also nur das Gesetz repariert?

KÖRTNER: Moment, das ist ja nur ein Entwurf. Die Regierung braucht ja jetzt eine Mehrheit im Nationalrat. Ich gehen davon aus, dass innerhalb der ÖVP Diskussionen losbrechen werden.

Das ist keine unumstrittene Entscheidung?

KÖRTNER. Das Gesetz wird für Teile der ÖVP ein Problem sein, denen familienpolitisch die ganze Richtung nicht passt.

Wegen der Samenzelle für homosexuelle Paare?

KÖRTNER. Nicht nur deshalb. Da sind jetzt auch Leute, die nicht nur die gleichgesellschaftliche Partnerschaft, sondern überhaupt die Fortpflanzungsmedizin ablehnen. Der Entwurf trägt der gesellschaftlichen Entwicklung Rechnung, das gleichgeschlechtliche Paare zunehmend auf Akzeptanz stoßen.

Aber es geht nur um Lesben?

KÖRTNER: Es lässt sich argumentieren, warum der Gesetzesentwurf nicht weiter geht. Wenn man homosexuelle Männer einschließen will, geht es nur, wenn ich die Leihmutter zulasse. Die Zulassung der Leihmutterschaft kann man aber nicht auf homosexuelle Männer einschränken. Das Gesetz ist maßvoll, weil der Gesetzgeber nicht die Leihmutterschaft in Österreich zulassen will.

Bedauern Sie es?

KÖRTNER: Wenn ich mir die Tragweite von Leihmutterschaft vor Augen halte im Sinn der kommerziellen Ausnutzung von Frauen, halte ich für vernünftig. Es gibt eine Menge von Problemen, weshalb ich es sinnvoll finde, dass sie in Österreich verboten ist.

Was ist mit der Präimplantationsdiagnostik?

KÖRTNER: Es ist ein maßvoller Schritt, man hätte aber bei der Indikation weiter gehen können.Es ist ja nur möglich, wenn mehrere Versuche einer Schwangerschaft gescheitert sind oder es eine Erbkrankheit gibt. Es ist eine sehr enge Zulassung.

Zu eng?

KÖRTNER. Wenn man bedenkt, in welchem Ausmaß in Österreich Pränataldiagnostik durchgeführt wird und auf Basis dessen Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden, wird die Grenze hier sehr eng gezogen. Man hätte eine größere Öffnungsklausel einführen können. Grundsätzlich finde ich es gut, dass die Präimplantationsdiagnostik nicht generell freigegeben wird.

Wie ordnen Sie Österreich im europäischen Kontext ein?

KÖRTNER: Österreich ist auf der konservativen Seite. Die Lage ist aber unbefriedigend wegen der österreichischen Doppelmoral. So ist die Herstellung von Stammzellen verboten, der Import von embryonalen Stammzellen ist aber erlaubt. Man kann damit sogar forschen. Das ist im schlechten Sinn eine österreichischen Lösung nach dem Motto: Wir haben strenge Gesetze. Was unter der Tuchent passiert, interessiert mich nicht.

Ist das nicht der permanente Spannungsbogen? In konkreten Fällen ist die Fortpflanzungsmedizin sehr sinnvoll, aber die Angst vor dem Missbrauch überwiegt.

KÖRTNER. Unbeschadet der restriktiven Gesetze haben Österreicherinnen die Möglichkeit, sich liberaler Methoden zu bedienen, indem sie nach Tschechien oder nach Spanien fahren. Die Schwangeren werden bei uns in Österreich betreut. Das Argument, man wolle mit einem rigiden Gesetz Missbrauch ausschließe, ist eine Form von Doppelmoral, weil man genau weiß, dass sehr wohl Dinge in Anspruch genommen werden, die man verhindern will. Da ist es besser, die Dinge im eigenen Land zu ermöglichen, sie aber mit entsprechenden Auflagen zu verknüpfen.

Missbrauch ist dann dennoch möglich?

KÖRTNER. Mord ist auch verboten, und findet dennoch statt. Ich habe Vertrauen in den Rechtsstaat, dass die Kontrolle funktioniert. Wenn wir generell sagen, das hilft nichts, dann würden wir unterstellen, wir leben in einer Bananenrepublik.

Das Interview führte Michael Jungwirth