Die Präsentation des neuen starken Manns in der SPÖ-Parteizentrale bescherte so manchem Beobachter ein ungewöhnliches Erlebnis. Schon lange nicht mehr sah man Norbert Darabos so gelöst wie gestern. Wie ausgewechselt wirkte der Noch-Verteidigungsminister, als er nach kurzer Vorstellung durch SPÖ-Chef Werner Faymann das Wort ergriff. "Ich habe schon drei Wahlen gewonnen", meinte der Burgenländer selbstbewusst. "Ich gehe davon aus, dass ich auch die vierte Wahl gewinne." Der Burgenländer hat Heinz Fischer (2004), Hans Niessl (2005) und Alfred Gusenbauer (2006) zum Wahltriumph verholfen.

Darabos zieht erst am Montag in die Parteizentrale in die Löwelstraße ein, er hatte aber bereits eine Erklärung parat, warum die SPÖ in den letzten Jahren bei zahllosen Wahlen so schlecht abgeschnitten hat. "Es mag etwas altmodisch klingen, aber der direkte Kontakt zu den Bürgern ist entscheidend. Diesen müssen wir noch ausbauen." Und dann nicht ganz ohne Ironie: "Man sagt mir nach, ich sei ein Parteisoldat. Ich würde das sogar unterstreichen." Erst heute will Faymann den neuen Verteidigungsminister Gerald Klug der Öffentlichkeit vorstellen. Der bisherige SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter wird mit 1. Juli Volksanwalt.

Die am Montag durchgesickerte Personalrochade kam nicht aus heiterem Himmel. Spätestens seit dem katastrophalen Ausgang der Volksbefragung war klar, dass Faymann um einen Umbau der SPÖ-Parteizentrale nicht umhinkommt. Im Herbst wird gewählt, dazu bedarf es einer schlagkräftigen Wahlkampfzentrale. Auch die sonntägige Schlappe im stimmenstärksten Bundesland Niederösterreich machte noch einmal den Ernst der Lage deutlich.

Abschussliste

Die Schuld am Desaster bei der Volksbefragung ausschließlich den beiden Geschäftsführern, Laura Rudas und Günther Kräuter, in die Schuhe zu schieben, greift zu kurz. Auch der Kanzler warf sich nur schaumgebremst für ein Berufsheer ins Zeug. Den Vogel schoss ohnehin die Wiener SPÖ ab: Michael Häupl schickte ein Punch-o-mobil in den Wahlkampf.

In der heißen Phase im Jänner war die Löwelstraße auf Tauchstation. Statt die roten Spitzenpolitiker zu vergattern, in den letzten Wochen vor der Volksbefragung landauf, landab für ein Berufsheer zu werben, lehnte man sich zurück - in der Hoffnung, der Boulevard würde für die Mehrheit sorgen. Nur folgten die Bürger nicht dem medialen Diktum.

Spätestens seit dem Votum standen Rudas und Kräuter auf Faymanns Abschussliste. Die Idee, eine Doppelspitze in der Löwelstraße würde eine besondere Schlagkraft entwickeln (Rudas sollte die Jugend und die Öffentlichkeit ansprechen, Kräuter sollte sich um den Apparat kümmern), entpuppte sich als frommer Wunsch. Der heute 56-jährige Kräuter und die 31-jährige Rudas konnten nie miteinander. Telefoniert wurde nur, wenn es notwendig war. Bereits 2009 eskalierte der Streit, als aus Rudas Umgebung Sexismus-Vorwürfe gegen Kräuter laut wurden.

Das Standing der beiden war auch völlig unterschiedlich. Bis vor Kurzem gehörte Rudas gemeinsam mit Staatssekretär Josef Ostermayer und Faymanns Kabinettschefin Nicole Beyer zum innersten Zirkel des Kanzlers, bei allen SPÖ-Terminen wich sie keinen Millimeter von ihrem Chef. Kräuter schaffte es nur selten in die Nähe des Kanzlers. Symptomatisch dafür: Das letzte gemeinsame öffentliche Gruppenfoto von Faymann und Kräuter datiert vom 9. Jänner 2009.

Offene Rechnung

Mit der Heimkehr des erfolgreichen Wahlkampfmanagers Darabos in die Löwelstraße hat Faymann gleich zwei Baustellen mit einem Schlag saniert: das Chaos in der Parteizentrale sowie die Schwachstelle im Verteidigungsminister. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass der Minusmann im Regierungsteam die SPÖ zum Triumph bei den Nationalratswahlen im Herbst verhelfen soll. Kein anderer Minister ist so unpopulär wie der sympathische Burgenländer.

Die geplante Personalrochade ist allerdings auf halbem Weg stecken geblieben. Darabos soll sich in Vorgesprächen ein Durchgriffsrecht ausbedungen haben - auch andere Parteien haben mit Doppelspitzen schlechte Erfahrungen gemacht. Ursprünglich sollte nicht nur Kräuter abgeschoben werden, auch Rudas - seit wenigen Monaten nicht mehr Liebkind des Kanzlers - sollte weggelobt werden. Der Masterplan sah vor, dass Unterrichtsministerin Claudia Schmied, die schon vor Längerem beim Kanzler in Ungnade gefallen ist, abgelöst und durch Staatssekretär Josef Ostermayer ersetzt wird. Dann wäre der Posten des Staatssekretärs für Rudas frei. Doch die Wiener SPÖ sperrte sich gegen Schmieds Demontage.

Spätestens am Wahltag wird man sehen, ob die Rechnung aufgegangen ist. Darabos kann für sich verbuchen, dass er bisher jeden Wahlkampf, den er geleitet hat, gewonnen hat. Im Unterschied zur Außenwahrnehmung zählt Darabos SPÖ-intern zu den beliebtesten Politiker. Beim Parteitag kam er auf 94 Prozent, Faymann nur auf 83 Prozent.

Die SPÖ läuft oft im Nationalratswahlkampf zur Höchstform auf. Wenn es ernst wird, schließen sich die Reihen und setzen sich die Kader und der Parteiapparat in Bewegung. Das war schon 2008 so, als Neo-Parteichef Faymann den Schulterschluss mit den Gewerkschaften probte und mit einem plakativen Fünf-Punkte-Konzept die Nummer eins wurde. Die Programmatik blieb dabei freilich auf der Strecke. Die ÖVP, die die Wahlen vom Zaun gebrochen hatten, hatte das Nachsehen.