Finanzminister Michael Spindelegger hat angesichts des ÖVP-internen Drängens nach einer raschen Steuerreform am Dienstag reagiert und seinen Rücktritt von allen Funktionen erklärt. "Wir sind an einem Punkt angelangt, wo ich es mir selber schuldig bin, diesen Schritt zu setzen", sagte Spindelegger. Nachfolger als Finanzminister, Vizekanzler und ÖVP-Obmann stehen noch nicht fest.

Spindelegger war zuletzt mit immer lauter werdender Kritik konfrontiert, da nicht nur vom Koalitionspartner SPÖ, sondern auch innerhalb der ÖVP der Ruf nach einer raschen Steuerreform kam. Als Speerspitzen fungierten die Landeshauptleute Josef Pühringer (Oberösterreich) und Günther Platter (Tirol), die ihm über das Wochenende mehrmals aufforderten, einer raschen Steuerreform zuzustimmen.

Spindelegger zog daraufhin die Reißleine: Am Dienstag in der Früh informierte er Kanzler Werner Faymann, bevor er seinen Abgang bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz offiziell machte. "Ich möchte Ihnen heute mitteilen, dass ich mit dem heutigen Tag von allen meinen Ämtern in der Partei und in der Bundesregierung zurücktrete", sagte Spindelegger. Begründung: Er wolle sich nicht gegen seine Überzeugung zu einer mit neuen Schulden oder neuen Steuern finanzierten Steuerreform zwingen lassen.

Die Schwierigkeiten mit Koalitionspartner und Interessensvertretern hätte er zwar noch "durchgestanden", sagte Spindelegger und machte offen die eigene Partei für seinen Rücktritt verantwortlich: "Aber jetzt ist eine Situation erreicht, wo aus der eigenen Partei ein klares Signal kommt: Es gewinnen die die Oberhand, die sagen, wir müssen auf diesen Populismuszug aufspringen." Damit sei seine Loyalität und Paktfähigkeit überstrapaziert worden: "Daher trete ich heute zurück, weil ich mit meiner Überzeugung alleine stehe."

Die Entscheidung von Michael Spindelegger komme "nicht überraschend, ich verstehe sie und respektiere sie", reagierte Niederösterreichs ÖVP-Landesparteiobmann und Landeshauptmann Erwin Pröll. Spindelegger habe unter schwierigen Bedingungen im April 2011 die Verantwortung als ÖVP-Obmann übernommen, vom ersten Tag an großen persönlichen Einsatz gezeigt und mit vollem Engagement die Partei geführt.

"Vor allem aber hat er schwierige Probleme im Finanzressort übernommen und dabei für vieles den Kopf hingehalten, wofür er aber schon gar nichts konnte", betonte Pröll. Spindelegger habe sich mit ganzer Kraft und Persönlichkeit für Österreich eingebracht und in einem schwierigen finanziellen Umfeld die Republik auf Kurs gehalten. "Die Volkspartei Niederösterreich dankt ihm für seine ehrliche Arbeit", sagte Pröll.

Der ehemalige ÖVP-Bundesobmann Erhard Busek sprach sich für Pröll als Krisenmanager aus. "In der Situation müsste der Pröll übernehmen, vom 'Standing' her die gewachsene Figur, der eine gewisse Stärke repräsentiert", sagte Busek am Rande des Forum Alpbach zur APA. Er sollte "für eine gewisse Zeit die Dinge neu ordnen". Die Neuausrichtung der ÖVP könne einer am besten einleiten, "der nicht mehr so den großen Ehrgeiz hat".

"Für die Zukunft der Volkspartei ist mir wichtig, dass die weiteren Schritte mit Besonnenheit gewählt werden", erklärte Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer, der derzeit im Ausland auf Urlaub weilt. Er nahm sich selbst als Spindeleggers Nachfolger als Bundesparteiobmann aus dem Spiel. Haslauer wolle sich nicht an Spekulationen beteiligen und werde weder nach Wien gehen noch Bundesparteiobmann werden, erklärte ein Sprecher Haslauers am Dienstag auf Anfrage der APA.

Der oberösterreichische ÖVP-Obmann Landeshauptmann Josef Pühringer bedauerte in einer ersten Reaktion den Rücktritt und zeigte sich "betroffen", denn dieser sei ein "exzellenter Sachpolitiker" gewesen. Aber sein Schritt sei zur Kenntnis zu nehmen. Es gebe dafür viele Ursachen. Die Nachfolge werde "sorgsam und genau" im Bundesvorstand beraten, Konkretes wollte dazu nicht sagen.

"Es kann bei uns nicht so weiter gehen, dass wir alle drei Jahre einen neuen Parteiobmann brauchen", sagte der ehemalige ÖVP-Klubobmann und jetzige Zweite Nationalratspräsident Karlheinz Kopf. "Ich bedauere den Rücktritt sehr", so Kopf. Nicht überrascht zeigte sich der steirische ÖVP-Landesobmann und Landeshauptmann-Stellvertreter Hermann Schützenhöfer. "Es war eine Frage der Zeit. Er muss zuunrecht das ausbaden, was die Regierung nicht zustande gebracht hat". Nun werde er als Sündenbock hingestellt. Überrascht zeigte sich der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter.

Bundespräsident Heinz Fischer geht davon aus, dass die Stabilität Österreichs nicht unter dem Rücktritt von ÖVP-Chef Spindelegger leiden wird. Er appellierte in der "Zeit im Bild" am Dienstagnachmittag allerdings an die Koalition, den Anlass zu nutzen, um "wirklich durchzustarten" und "verschiedene Probleme" jetzt in Schwung zu bringen. Die Stabilität werde nicht leiden, denn in einer Demokratie seien Personalwechsel immer wieder "etwas Unvermeidliches", meinte Fischer.