In einer historischen Entscheidung haben die Vereinten Nationen Palästina als Staat anerkannt. Eine überwältigende Mehrheit von 138 Ja-Stimmen bei nur 9 Gegenstimmen und 41 Enthaltungen votierte am Donnerstag gegen den Widerstand der USA dafür, den Palästinensern den Status eines Beobachterstaats einzuräumen.

Jubel und Warnungen

Während bei den Palästinensern nach der Abstimmung in New York am Donnerstag Jubel herrschte, warnten die USA und Israel vor neuen Gefahren für den Friedensprozess im Nahen Osten. Israelische Medien sprachen in Kommentaren von einer diplomatischen Niederlage für den jüdischen Staat. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu kritisierte die Entscheidung als Verstoß gegen bestehende Abkommen mit den Palästinensern. Vor Ort werde sich nichts ändern. Einen Staat könnten die Palästinenser nur durch Verhandlungen mit Israel erlangen. Abbas sprach danach von einem "historischen Tag" und erklärte: "Heute haben wir einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur palästinensischen Unabhängigkeit gemacht".

Abbas forderte die Vollversammlung vor dem Votum auf, die "Geburtsurkunde für die Realität eines Staates Palästina" zu unterzeichnen, und erhielt stehende Ovationen. Für den Auftritt wählte er ein symbolisches Datum: Der 29. November ist internationaler Solidaritätstag mit dem palästinensischen Volk und erinnert an die UN-Resolution 181 von 1947, die eine Teilung des damaligen britischen Mandatsgebiets Palästina in einen jüdischen und einen arabischen Staat vorsah. In den Palästinensergebieten wurde der neue UN-Status frenetisch gefeiert. In Ramallah im Westjordanland versammelten sich tausende Menschen, auch in anderen Städten im Westjordanland gab es spontane Feiern. In Bethlehem läuteten um Mitternacht die Glocken. Auch im von der radikalislamischen Hamas kontrollierten Gazastreifen brach Jubel aus. Die Hamas, die den gemäßigten Kurs von Abbas meist ablehnt, sprach von einem "neuen Sieg auf dem Weg zur Befreiung Palästinas".

US-Außenministerin Hillary Clinton erklärte dagegen, die Abstimmung sei "unglücklich und kontraproduktiv" gewesen. Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu warf Abbas vor, eine Rede "voll von Lügen und Propaganda" gehalten zu haben. "Die Entscheidung der Vereinten Nationen ändert nichts vor Ort", sagte er. Es werde "keinen palästinensischen Staat geben ohne Garantien für die Sicherheit der Israelis".

Druck wächst weiter

International wuchs der Druck auf beide Seiten, die seit Jahren ausgesetzten Gespräche nun schnell wieder aufzunehmen. So sprach sich der deutsche Außenminister Guido Westerwelle am Morgen nach der Abstimmung für die baldige Wiederaufnahme direkter Friedensverhandlungen zwischen Israel und Palästinensern aus. Die Aufwertung Palästinas zum UN-Beobachterstaat müsse zum Anlass genommen werden, "so schnell wie möglich" an den Verhandlungstisch zurückzukehren, sagte Westerwelle am Freitag in Berlin. Deutschland hatte sich wie Großbritannien der Stimme enthalten. Frankreich, Österreich und andere EU-Staaten hatten hingegen mit Ja gestimmt. "Wir haben Europa verloren", zitierte die Zeitung "Haaretz" einen hochrangigen israelischen Beamten.

Bisher hatte die Palästinensische Autonomiebehörde bei der UNO eine einfache Beobachterrolle, vergleichbar mit internationalen Organisationen. Mit dem neuen Status bescheinigt die UNO den Palästinensergebieten praktisch Staatsqualität. Die Autonomiebehörde in Ramallah kann nun bestimmten UN-Organisationen und völkerrechtlichen Verträgen beitreten. Zudem hat sie Zugang zur internationalen Gerichtsbarkeit, könnte also vor internationalen Gerichten gegen Israel klagen.