Ein Raketenangriff der radikal-islamischen Hamas hat am Donnerstag drei Israelis das Leben gekostet. Sie waren die ersten Todesopfer auf Seiten des jüdischen Staates in den Gefechten, die sich zum offenen Krieg auszuweiten drohen. Israelische Kampfjets bombardierten weiter Ziele in und um Gaza-Stadt. Die Hamas erklärte, sie habe eine Tonne schwere iranische Fajr-5-Rakete auf Tel Aviv abgefeuert. Dies würde eine weitere Eskalation des Konflikts bedeuten, aber es gab keine Berichte über einen Treffer in der israelischen Metropole 50 Kilometer nördlich des Gazastreifens. Ägypten beantragte eine Sitzung des UNO-Sicherheitsrates und forderte die USA auf zu intervenieren, um den israelischen Angriff zu stoppen.

Israel hatte am Mittwoch den Militärchef der Hamas, Ahmed Al-Jabari, getötet und die palästinensische Enklave von Land, See und aus der Luft beschossen. Dabei wurden 15 Menschen getötet. Unter ihnen waren fünf militante Islamisten, drei Kinder und eine schwangere Frau. Mehr als 100 Menschen wurden verletzt. Die Eskalation im Nahen Osten belastete auch die Börsen.

Der israelische Raketen-Schutzschirm "Iron Dome" schoss am zweiten Tag der Kampfhandlungen rund 130 Raketen aus dem Gazastreifen ab. Ein Geschoß durchbrach jedoch das Schutzschild und tötete die drei Israelis, ehe sie sich in Schutzbunkern in Sicherheit bringen konnten, die es überall in der Negev-Wüste gibt. Die Region wurde in den vergangenen fünf Jahren immer wieder aus dem Gazastreifen beschossen. Dieses Mal sei die Rakete in Kiryat Malachi (Kirjat Malatschi) etwa 25 Kilometer nördlich des Gazastreifens eingeschlagen.

Israels Erzfeind Iran, der die Hamas bewaffnet und unterstützt, verurteilte die Offensive der israelischen Armee als "organisierten Terrorismus".

Bei Jabaris Begräbnis am Donnerstag schossen seine Anhänger in die Luft, um die Nachricht von den Toten auf israelischer Seite zu feiern. "Du hast gewonnen", riefen sie dem toten Islamisten zu.

Der ägyptische Präsident Mohammed Mursi sicherte den Palästinensern im Gazastreifen Solidarität zu. "Wir stehen an der Seite der Palästinenser, um die israelische Aggression in Gaza zu stoppen", sagte er. Israel müsse begreifen, dass "diese Aggression inakzeptabel ist und nur zu Instabilität in der Region führt." Zugleich kündigte Mursi eine Krisensitzung des ägyptischen Kabinetts einschließlich des Verteidigungsministers an. Mursi erklärte, er habe auch mit US-Präsident Barack Obama über den Konflikt gesprochen. Die Regierung in Kairo hat ihren Botschafter aus Israel abberufen.

Zudem beantragte Ägypten eine Dringlichkeitssitzung des UNO-Sicherheitsrates, da Israel mit der Offensive internationales Recht gebrochen habe. Der Sicherheitsrat hatte sich bereits am Mittwoch bei einer Krisensitzung mit dem Konflikt befasst. Das Gremium forderte ein Ende der Gewalt, ergriff aber keine Maßnahmen.

Der libanesische Präsident Michel Sleimane verurteilte die israelischen Angriffe als "barbarisch". "Krieg und Terror haben noch nie zu einem gerechten und umfassenden Frieden geführt", erklärte er am Donnerstag. Sleimane rief die internationale Gemeinschaft auf, Israel dazu zu bringen, wieder Friedensgespräche zu führen.

Die radikal-islamische Hisbollah, die im Libanon an der Regierung beteiligt ist, warf Israel einen "Vernichtungskrieg" in Gaza vor. Das Vorgehen der Israelis sei "kriminell", so die Schiitenbewegung. Die Hisbollah sieht sich als wichtigste Kraft des "nationalen Widerstands gegen Israel".

Israel warnte die Hamas, dass alle ihre Männer Ziele seien. Kampfjets warfen Flugblätter ab, die die Bewohner des Gazastreifens aufforderten, sich von Hamas-Kämpfern und Einrichtungen der Organisation fernzuhalten. UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon telefonierten wegen der angespannten Lage mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu und Mursi. Ban habe die palästinensischen Raketenangriffe verurteilt und Israel zur Zurückhaltung aufgefordert, teilten die Vereinten Nationen nach dem Telefonat mit.

US-Präsident Obama sicherte Netanyahu hingegen seine Unterstützung zu und unterstrich Israels Recht auf Selbstverteidigung. Der britische Außenminister William Hague verurteilte die Hamas als "Hauptverantwortliche" für die Eskalation. Doch auch Israel müsse alles tun, um Spannungen zu reduzieren und zivile Opfer zu vermeiden, erklärte Hague.

Außenminister Michael Spindelegger (V) zeigte sich "äußerst besorgt" über die "neuerliche Eskalation der militärischen Auseinandersetzung im Süden Israels und im Gazastreifen". Der Nahe Osten stehe an der "Kippe zu einer neuen Gewaltspirale, deren Auswirkungen zusammen mit dem Bürgerkrieg in Syrien unabsehbar sind". Amnesty International rief beide Seiten dazu auf, die Sicherheit von Zivilisten zu gewährleisten.

Der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas brach angesichts der Lage vor Ort eine Europa-Reise ab und wollte noch am Donnerstag nach Ramallah zurückkehren. Am Samstag will er nach Angaben eines Sprechers an einer Dringlichkeitssitzung der Arabischen Liga in Kairo teilnehmen.

Die Hamas hatte sich zuletzt durch den Machtgewinn der Islamisten in Ägypten ermutigt gesehen. Sie betrachtet Präsident Mursi als Sicherheitsnetz, das einen zweiten Gaza-Krieg verhindern wird. Im Gazastreifen leben rund 1,7 Millionen Palästinenser, unter ihnen etwa 35.000 Kämpfer.