Nach Frankreich hat sich mit Großbritannien eine zweite westliche Großmacht dem von den USA geführten Militärbündnis gegen die Jihadistengruppe "Islamischer Staat" (IS) angeschlossen. Das Parlament in London stimmte am Freitag für Luftangriffe im Irak, nachdem die USA und ihre arabischen Verbündeten sowohl dort als auch in Syrien weitere IS-Stellungen bombardiert hatten.

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan kündigte einen Kurswechsel hinsichtlich des IS an. Deutschland will verschärfte Maßnahmen ergreifen um die Ausreise für IS-Anhänger nach Syrien und in den Irak zu verhindern. Das internationale Rote Kreuz fordert alle Konfliktparteien in der Region dazu auf, die Zivilbevölkerung möglichst zu verschonen.

Bei einer Sondersitzung billigten die britischen Volksvertreter den Antrag der Regierung von Premierminister David Cameron, sich am Bündnis gegen den IS zu beteiligen. 524 Abgeordnete aller großen Parteien stimmten für den Beschluss, 43 Parlamentarier lehnten ihn ab. Auch Oppositionsführer Ed Miliband stellte sich hinter den Premier und betonte, Großbritannien dürfe "angesichts der Bedrohung nicht untätig bleiben".

Tornados werden eingesetzt

Nach dem eindeutigen Votum wird in Großbritannien nun damit gerechnet, dass möglicherweise schon kurzfristig sechs auf der südöstlichen Mittelmeerinsel Zypern stationierte Tornados der Royal Air Force für Luftangriffe abheben dürften. Im Parlament schwor Cameron sein Volk darauf ein, dass der Einsatz gegen die IS-Miliz vermutlich Jahre dauern werde. Auch andere Staaten kündigten Unterstützung für die Allianz an.

Von den USA wurde die Entscheidung des britischen Parlaments und somit auch die Erweiterung des Militärbündnisses im Kampf gegen den IS begrüßt. Die USA bombardieren schon seit Anfang August IS-Stellungen im Irak, Frankreich schloss sich als erstes europäisches Land inzwischen an. Anfang dieser Woche weiteten die USA ihre Luftangriffe schließlich gemeinsam mit arabischen Verbündeten vom Irak auf Syrien aus.

Laut dem US-Verteidigungsministerium zerstörte die Luftwaffe am Freitag vier Panzer der Jihadisten in Syrien sowie mehrere Fahrzeuge und Stellungen der Miliz im nordirakischen Kirkuk und westlich von Bagdad. Nach Angaben der oppositionsnahen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte trafen Luftangriffe am Donnerstagabend und Freitag in der Früh zudem Ölraffinerien und Kommandozentralen des IS in den syrischen Regionen Deir ez-Zor (Deir al-Sor) und Hassaka.

Massive Einnahmen durch Ölverkauf

Experten gehen davon aus, dass der IS jeden Tag Einnahmen von bis zu drei Millionen Dollar (2,36 Mio. Euro) aus dem Verkauf von Öl erzielt. Aktivisten zufolge wurden die Förderaktivitäten in Deir ez-Zor nach den Bombardierungen bis auf weiteres gestoppt, die Kundennachfrage war aus Furcht vor weiteren Luftangriffen eingebrochen. Seit dem Beginn der Angriffe in Syrien wurden der Beobachtungsstelle zufolge mehr als 140 Jihadisten getötet.

Trotz der militärischen Erfolge des IS am Boden schließen sowohl Großbritannien als auch Frankreich den Einsatz von Infanteristen aus. Die hitzig geführte Debatte im britischen Parlament weckte Erinnerungen an die unpopuläre Beteiligung an der US-geführten Invasion im Irak 2003. Eine Abgeordnete der Labour-Partei legte aus Protest ihr Mandat nieder.

Auch Dänemark kündigte am Freitag an, sieben F-16-Kampfjets in den Irak zu schicken. Belgien und die Niederlande haben ebenfalls jeweils sechs Militärflugzeuge zugesagt.

Der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan deutete zudem an, dass sein Land die bisherige Zurückhaltung im Kampf gegen den IS aufgeben könnte. Zu Einzelheiten wolle er erst nach Diskussionen mit der Regierung öffentlich Stellung nehmen, sagte er. Das Parlament in Ankara werde am kommenden Donnerstag (2. Oktober) über eine mögliche Unterstützung einer internationalen Militäroperation gegen den IS durch die Türkei beraten und die "notwendigen Schritte" unternehmen. "Unsere Position hat sich nun geändert. Was folgt, ist etwas vollkommen anderes."

Abbas fordert Lösung des Nahostkonflikts

Der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas zeigte sich in New York davon überzeugt, dass ein erfolgreicher Kampf gegen IS nur mit einer Lösung im Nahostkonflikt möglich sei. Katars Emir Sheikh Tamim bin Hamad al-Thani warnte davor, dass der von den USA angeführte Kampf gegen IS keinen Erfolg habe, solange Syriens Präsident Bashar al-Assad im Amt bleibt. Zwar müsse man Terrorismus bekämpfen, sagte er dem Sender CNN. "Aber ich glaube, dass der Hauptgrund für das alles das Regime in Syrien ist und dieses Regime bestraft werden muss."

Russlands Außenminister Sergej Lawrow fordert demgegenüber die Einbindung der syrischen Regierung in den Kampf IS. Alle Beteiligten "sollten im selben Team spielen", forderte Lawrow am Freitag in New York.

Laut Iraks Präsident Fouad Massoum kämpfen bei IS tausende Islamisten aus westlichen Ländern. "Der Konflikt zieht Extremisten aus der ganzen Welt an. Neu ist, dass Tausende mit europäischer oder amerikanischer Staatsbürgerschaft dabei sind", sagte er am Freitag vor der UN-Vollversammlung. Deshalb sei es wichtig, dass sich auch andere Länder an der Abwehr beteiligten. "Diese Unterstützung zeigt unserem Volk, dass wir nicht allein gegen den Terror kämpfen. Es ist ein Kampf zum Schutz der ganzen Welt."

"Sie regieren mit Hass und Rassismus und greifen unschuldige Zivilisten an. Der IS ist eine abscheuliche terroristische Organisation", sagte Massoum. "Vertreibungen, Völkermord, unaussprechliches Leid gegen alle Regeln der Menschlichkeit, das ist ihr Alltag. Sie zerstören Wohnhäuser, Gebäude für die Andacht und historische Monumente. Und diese terroristische Organisation hat großen finanziellen Rückhalt." Dennoch gebe es immer wieder Erfolge gegen die IS-Miliz. "Das geht nur dank der Unterstützung der USA und der Europäischen Union."

Deutschland will verhindern, dass weitere Terrorkämpfer in das Krisengebiet ausreisen. Die Personalausweise potenzieller Terrorkämpfer aus Deutschland sollen dazu möglicherweise einen Sperrvermerk erhalten oder ganz eingezogen werden. Nach den Drohungen des IS gegen westliche Länder warnte das deutsche Außenamt vor erhöhten Anschlags- und Entführungsrisiken im Ausland.

Kurden überquerten Grenze

Hunderte Kurden überwanden indes einen Grenzzaun zwischen der Türkei und Syrien. Sie passierten die Grenze im türkischen Mursitpinar, um sich dem Kampf gegen den IS im Norden Syriens anzuschließen, wie ein AFP-Fotograf berichtete. Die Zahl der syrischen Flüchtlinge in der Türkei steigt weiter an. Ministerpräsident Ahmet Davutoglu sagte, seit Beginn der Grenzöffnung eine Woche zuvor seien 160.335 Menschen aus der nordsyrischen Region um Ain Al-Arab (kurdisch: Kobane) in die Türkei geflohen.

Das Internationale Rote Kreuz forderte alle Konfliktparteien in der Region dazu auf, Zivilisten zu verschonen und die Lieferung von humanitären Hilfsgütern zu vereinfachen. Die internationalen Luftschläge gegen den IS hätten "die humanitären Konsequenzen der Konflikte im Irak und in Syrien verschlimmert".

In Paris haben hunderte Muslime gegen die "Barbarei" des IS demonstriert. "Wir, die Muslime Frankreichs, sagen 'Stopp dieser Barbarei'", rief der Präsident des Dachverbandes "Französischer Rat des muslimischen Glaubens" (CFCM), Dalil Boubakeur, auf der Protestveranstaltung.