Karel Schwarzenberg, Pendler zwischen Ost- und Mitteleuropa, wirbt um Verständnis für die Solidaritätsverweigerung der osteuropäischen Länder in der Flüchtlingsfrage. Die schroffe Ablehnung, die Last solidarisch zu teilen und mitzutragen, begründet der frühere tschechische Außenminister im Exklusiv-Interview mit der "Kleinen Zeitung" mit historischen Prägungen und Mentalitäten der betroffenen Staaten.

Mangelnde Erfahrung

Es handle sich bei Ländern wie Polen, Tschechien, Slowakei oder Ungarn um Gesellschaften, die bis zum Fall des Eisernen Vorhanges hermetisch abgedichtete und kulturell homogene Gebilde gewesen seien. Ihnen fehle im Gegensatz zum Westen die Erfahrung multikulturellen Zusammenlebens. "In Wien oder München war ein Farbiger eine natürliche Erscheinung. Nicht im Osten", so Schwarzenberg. Das Fehlen dieser Erfahrungsebene wirke bis heute in der Mentalität nach. Schwarzenberg plädiert für Geduld und eine weiche, aufklärerische Pädagogik im Umgang mit dem Querstehen Osteuropas: "Das Aufbrechen von Mentalitäten dauert und braucht seine Zeit. Österreich sollte das bekannt sein. Wie lange Haben wir für die Rückgabe des jüdischen Vermögens gebraucht? Fünfzig Jahre!" Er, Schwarzenberg, wirke im Osten unermüdlich mit am Aufbrechen der Haltungen, die EU dürfe nicht in Panik verfallen. Vor Bestrafungsritualen wie etwa dem Entzug von Fördergeldern warnte der 79-Jährige: "Das würde Europa endgültig spalten."

"Strache ist nicht Hitler und Orban nicht Putin"

Was die Kritik an autoritären Strömungen in Ländern wie Polen oder Ungarn betrifft, appellierte Schwarzenberg an West- und Mitteleuropa, bei allen berechtigten Sorgen nicht in grelle Zerrbilder zu verfallen: "Strache ist nicht Hitler und Orban nicht Putin."

Dass ausgerechnet Österreich den Polen vorwerfe, die Medien zu politisieren, entbehre nicht einer gewissen Perfidie. Schwarzenberg: "Ja, wo san ma denn! Diese Heuchelei geht mir auf den Nerv."

Lesen Sie das gesamte Interview in der heutigen Sonntagsausgabe der "Kleinen Zeitung".

Hubert Patterer und Stefan Winkler