Die Verhandlungen über den Verbleib Großbritanniens in der EU sind in die heiße Phase gegangen. Vier Kernforderungen will Premier David Cameron erfüllt haben, damit er bei der bevorstehenden Volksabstimmung gegen den sogenannten Brexit kämpft. Gut zwei Wochen bleiben bis zum EU-Gipfel Mitte Februar noch, um eine Einigung zu erzielen. Camerons "Wunschliste" und der Verhandlungsstand im Überblick:

Weniger Sozialleistungen für Nicht-EU-Bürger

Cameron will die Zuwanderung nach Großbritannien begrenzen und dazu auch EU-Bürger von Sozialleistungen ausschließen, wenn sie nicht mindestens schon vier Jahre im Land gearbeitet haben: Lohnaufstockungen, der Anspruch auf Sozialwohnungen sowie Kindergeld für im Ausland lebende Kinder sollen nicht mehr gezahlt werden. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und andere EU-Spitzenvertreter hatten dies als Verstoß gegen das Recht auf Freizügigkeit und das Diskriminierungsverbot in der Union abgelehnt.

Einen Ausweg soll die sogenannte Notbremse bringen: Bei einer nachweislichen Überforderung der britischen Sozialsysteme dürfte das Land finanzielle Einschnitte für Zuwanderer beschließen. Der Unterschied zu Camerons ursprünglichen Plänen liegt darin, dass eine für alle EU-Staaten geltende Ausnahme vom Diskriminierungsverbot geschaffen würde.

London zufolge wäre nach dem erreichten Verhandlungsstand die Begrenzung der Sozialleistungen für EU-Ausländer über vier Jahre möglich. Bestätigt wird dies in Brüssel bisher nicht.

Keine Benachteiligung der Nicht-Euroländer

Cameron will eine rechtlich bindende Zusicherung, dass die 19 Länder der Währungsunion das Nicht-Mitglied Großbritannien nicht zu Entscheidungen zwingen, die seine Wirtschaft betreffen. Er reklamiert dafür das Recht auf Mitentscheidung. London verweist dabei insbesondere auf Beschlüsse zur Bankenregulierung und zur Überwachung der Finanzstabilität.

Ein Veto Londons bei Euro-Entscheidungen geht vielen in der Währungsunion zu weit. Frankreich zog in einem vertraulichen Papier an die Verhandlungsführer in Brüssel und Berlin nun "rote Linien", wie die "Financial Times" berichtete.

Demnach lehnt Paris neue Rechte für Nicht-Euro-Länder und insbesondere "ein Veto durch die Hintertür für den Finanzplatz London" strikt ab. Als unproblematischer gilt der britische Wunsch nach einer Garantie, wonach Nicht-Euro-Länder nicht für eine Stabilisierung des Euro zahlen müssen.

Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit

Der Abbau von Bürokratie und EU-Vorgaben soll Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit stärken. Die EU-Kommission will grundsätzlich schon länger in dieselbe Richtung. Ihre Initiativen zum digitalen Binnenmarkt und zur Kapitalmarktunion werden in London positiv gesehen. Cameron hatte ursprünglich ein konkretes Ziel gefordert, "um die Gesamtlasten der Wirtschaft zu verringern". Wie dieses aussehen könnte, ist unklar.

Keine "engere Union der Völker Europas"

Das Vereinigte Königreich soll von diesem in den EU-Verträgen genannten Ziel ausgenommen werden. Stattdessen will Cameron die Stellung nationaler Parlamente stärken, indem sie die Möglichkeit erhalten, Gesetzesvorhaben aus Brüssel zu stoppen. Cameron will auch die schon geltende Ausnahme bei der EU-Innen- und Justizpolitik bekräftigt haben.

MARTIN TRAUTH