An dem Sondergipfel am Sonntag nehmen die Regierungschefs von Österreich, Deutschland, Bulgarien, Kroatien, Mazedonien, Griechenland, Ungarn, Rumänien, Serbien und Slowenien sowie UNHCR-Chef Antonio Guterres, EU-Ratspräsident Donald Tusk, der luxemburgische Premier Xavier Bettel, dessen Land aktuell den EU-Vorsitz innehat, sowie die Direktoren der EU-Grenzagentur Frontex und der Europäischen Stelle für Asylfragen (EASO) teil, erklärte die EU-Kommission am Mittwoch. "Es gibt Bedarf nach viel mehr Zusammenarbeit, mehr ausführlichen Gesprächen und unverzüglichen operativem Handeln", hieß es seitens der Kommission.

Die EU-Kommission erwartet sich vom Krisengipfel der Länder an der Balkanroute am Sonntag eine bessere Koordinierung bei der Bewältigung der Flüchtlingsströme. Die Staaten sollten "raus aus der Situation, wo jeder sein eigenes Süppchen kocht", hieß es am Mittwoch in EU-Kommissionskreisen in Brüssel zur APA.

Kommende Woche sollen erstmals im Rahmen der von der EU beschlossenen Umverteilung ("Relocation") Asylbewerber aus Griechenland in andere EU-Staaten gebracht werden. Eine Sprecherin der EU-Kommission sagte auf APA-Anfrage, es gehe um 30 Flüchtlinge, die nach Luxemburg kommen würden.

Aus Italien sollte am Mittwoch ein Flüchtlings-Umverteilungsflug stattfinden, sagte die Sprecherin weiter. Dabei geht es um 68 Flüchtlinge, die nach Schweden und Finnland verbracht werden. Insgesamt hätten acht EU-Staaten der EU-Kommission 700 freie Plätze zur Umverteilung notifiziert, sagte die Sprecherin.

EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos soll am Donnerstag nach Slowenien reisen, um sich ein Bild von der dramatischen Lage zu machen, hieß es in Kommissionskreisen weiter. Seitdem Slowenien vor vier Tagen zum neuen Transitland an der Balkanroute geworden ist, haben bereits mehr als 21.400 Flüchtlinge das Land erreicht.

Slowenien sieht sich dem Ansturm nicht gewachsen und setzt nun sogar sein Militär für den Grenzschutz ein. Scharfe Kritik übte Slowenien vor allem am Nachbarland Kroatien. Die Flüchtlinge würden weiterhin unangemeldet und zerstreut an mehrere Punkte entlang der grünen Grenze gebracht, was die slowenischen Polizeikräfte überfordere.

Die Initiative zum Krisengipfel am Sonntag sei von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) ausgegangen, hieß es aus dem Bundeskanzleramt in Wien. Im Zentrum soll das Funktionieren der "Hotspots" zur Registrierung von Flüchtlingen und "funktionierende Rückführungsaktionen" an der EU-Außengrenze stehen.

Solche "Hotspots" sollen bis Ende November in Griechenland und Italien eingerichtet sein, allerdings sind viele Abläufe noch ungeklärt. An dem Sondergipfel nehmen den Angaben zufolge auch UNHCR-Chef Antonio Guterres, EU-Ratspräsident Donald Tusk, der luxemburgische Premier Xavier Bettel, dessen Land aktuell den EU-Vorsitz innehat, sowie die Direktoren der EU-Grenzagentur Frontex und der Europäischen Stelle für Asylfragen (EASO) teil.

"In den kalten Wintermonaten geht es buchstäblich darum, Menschenleben zu retten", hieß es aus dem Bundeskanzleramt. Das Recht auf Asyl müsse gewährleistet sein. Jene Migranten, die kein Recht auf Asyl hätten, müssten aber in ihre Herkunftsländer zurückkehren. Daher stehe ein Funktionieren der "Hotspots" an der EU-Außengrenze im Zentrum der Beratungen.

Die EU-Außengrenze müsse mit "effizienten Hotspots" als Registrierungszentren gesichert werden. Es brauche auch funktionierende Rückführungsaktionen und Finanzhilfe für die Flüchtlingsbetreuung in der Region, so das Bundeskanzleramt. Mit der Türkei müsse es eine bessere Zusammenarbeit in der Krise gehen.

Die europäischen Christdemokraten haben sich angesichts des Flüchtlingsdrama in Europa für eine stärkere Sicherung der Außengrenzen der EU ausgesprochen. "Wir können nicht Millionen von Menschen aufnehmen", sagte der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP), Joseph Daul, am Mittwoch auf einem EVP-Kongress in Madrid.

Die EU solle ihre Grenzen nicht schließen, aber sie müsse genauere Kontrollen vornehmen, um den Zustrom bewältigen zu können. In der EVP sind 75 christdemokratische und konservative Parteien aus 40 europäischen Ländern zusammengeschlossen, darunter auch die ÖVP.

Zu dem zweitägigen Kongress in der spanischen Hauptstadt wurden die Staats- und Regierungschefs von 14 Ländern erwartet. Am Donnerstag wollen die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, EU-Ratspräsident Donald Tusk und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zu den Delegierten sprechen. Bei dem Treffen ist die ÖVP durch Parteichef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner vertreten, Außenminister Sebastian Kurz nimmt entgegen früherer Ankündigungen nicht teil.

Angesichts steigender Flüchtlingszahlen will Slowenien nach den Worten von Präsident Borut Pahor die EU um zusätzliche Polizisten bitten. Man brauche noch mehr Hilfe, sagte Pahor am Dienstag nach einem Treffen mit Tusk und Juncker in Brüssel. Nach slowenischen Angaben kamen seit dem Wochenende mehr als 20.000 Flüchtlinge nach Slowenien.

Mit der Türkei haben sich Spitzenbeamte der EU-Kommission, darunter EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn, vergangene Woche auf eine effektivere Rückführung von Flüchtlingen und eine bessere Grenzkontrolle verständigt. Im Gegenzug soll die Türkei Milliardenhilfen, eine raschere Visabefreiung und einen neuen Schub in den Beitrittsverhandlungen erhalten. Allerdings sind viele Fragen noch ungelöst. Derzeit verhandeln Beamte der EU-Kommission in Ankara mit der türkischen Regierung über die Umsetzung des "Aktionsplans".

Österreichs Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) kritisiert indes die Versuche, der Türkei mit Milliardenversprechen eine Eindämmung der Flüchtlingswelle nach Europa schmackhaft zu machen. Bei einem Gespräch mit österreichischen Zeitungen meinte Kurz, der EU-Beschluss für eine Kooperation mit der Türkei sage in Wahrheit, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan "sich für uns die Hände schmutzig machen soll."

"Das sollte man aber auch offen aussprechen", forderte der Außenminister gegenüber der Tagezeitung "Die Presse" sowie Bundesländermedien. "Es ist doppelbödig und scheinheilig, Erdogan drei Milliarden dafür zu bezahlen, dass er die Flüchtlinge aufhält, und sich dann auch noch für Menschlichkeit zu brüsten."

Kurz fordert stattdessen eine Einsicht bei den Regierungsspitzen: "Europa sollte sich eingestehen, dass ein Asylsystem mit einem völlig unkontrollierten Zustrom bis nach Mitteleuropa nicht funktionieren kann. Diese Wahrheit kann und soll man auch sagen, sie ist den Menschen zumutbar. Man sollte nicht nur den Menschen in Europa diese Wahrheit zumuten, sondern auch den vielen Menschen, die noch kommen wollen."

Dennoch gehe es darum, in den Herkunftsländern der Flüchtlinge "Hilfe vor Ort" zu leisten, so der ÖVP-Politiker. "Wir können mit dem Geld, das wir ausgeben, um einen Flüchtling in Österreich ein Jahr lang zu versorgen, in der Türkei 19 Flüchtlinge versorgen, in anderen Ländern in der Region sogar noch mehr."

Der türkische Präsident hatte am Sonntag zu dem Thema auch Besuch von Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel erhalten. Das war von der türkischen Opposition heftig kritisiert worden. In der Türkei finden am 1. November Parlamentswahlen statt.

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) bekräftigte im Vorfeld des Gipfels in Brüssel die Notwendigkeit einer besseren Zusammenarbeit mit Ankara.

Das Sondertreffen findet am Sonntag von 16.00 bis 19.00 Uhr am Berlaymont-Sitz der EU-Kommission in Brüssel statt, anschließend gibt es ein Abendessen der Regierungschefs. Im Bundeskanzleramt geht man davon aus, dass der Sondergipfel am Sonntag bis etwa 21.00 Uhr dauert.

Bei dem Treffen handelt es sich nicht um einen offiziellen EU-Gipfel, da nicht alle 28-EU-Mitgliedsländer teilnehmen. Einen offiziellen EU-Gipfel kann nur EU-Ratspräsident Donald Tusk einberufen. Die EU-Staats- und Regierungschefs haben bereits bei einem Krisentreffen Ende September und beim regulären Gipfel in der vergangene Woche über die Flüchtlingskrise beraten.