Nach einer hitzigen Debatte hat der EU-Gipfel die Verteilung von 40.000 Flüchtlingen von Italien und Griechenland auf andere EU-Staaten vereinbart. Dies dürfte nur auf freiwilliger Basis erfolgen - und nicht wie von der EU-Kommission und Italien gefordert auf Grundlage einer festen Quote. "Alle Staaten haben Zusagen gemacht", sagte EU-Gipfelchef Donald Tusk Freitagfrüh in Brüssel.

Ausnahmen seien nur Ungarn und auch Bulgarien. Tusk sagte: "Diese beiden Länder unterliegen schon einem großen Migrationsdruck und werden deshalb als Sonderfälle behandelt." Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel begrüßte den Beschluss als "eine gute Botschaft." Sie fügte im Hinblick auf die Differenzen aber auch hinzu: "Da wird also noch viel Arbeit sein." Die EU-Staats- und Regierungschefs vereinbarten zudem, dass sich alle Staaten an der Umsiedlung von 20.000 anerkannten Flüchtlingen aus Lagern etwa rund um Syrien beteiligen.

"Das gibt 60.000 Menschen eine Lebensperspektive", fasste EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die Gipfel-Ergebnisse zusammen und kritisierte dies zugleich als eine "bescheidene Wirkung".

Eine von Österreich gewünschte verpflichtende Quote zur Verteilung sei "im ersten Schritt nicht erreichbar gewesen", sagte Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) nach den Beratungen. "Es war eine sehr umfassende und ausführliche Diskussion mit vielen Unterschieden und Kontroversen."

Die EU geht bei der Flüchtlingspolitik nach Ansicht von Faymann "in die richtige Richtung, aber am Ziel sind wir nicht". Faymann: "Es hat schon eine sehr ernste Diskussion darüber gegeben, dass die Verbindlichkeit steigen muss."

Italiens Premier Matteo Renzi erhoffte mehr
Italiens Premier Matteo Renzi erhoffte mehr © APA

Die Staats- und Regierungschefs stritten bei den stundenlangen Beratungen darüber, ob die Umverteilung der 40.000 Asylberechtigten - also Menschen aus Syrien und Eritrea - auf Basis freiwilliger Zusagen oder verpflichtender Verteilschlüssel erfolgen sollte. Frankreichs Staatspräsident Francois Hollande sagte über die Debatte: "Es gab Momente der Spannung." Juncker sprach von "einer schwierigen Diskussion".

Italien hatte mehr verlangt. Premier Matteo Renzi begrüßte nach dem Gipfel die Zusagen nur als "ersten Schritt". Insbesondere die osteuropäischen und baltischen Staaten, die bisher nur selten das Ziel von Migranten sind, beharrten auf dem Prinzip der Freiwilligkeit. Hintergrund ist, dass nach dem Dublin-Abkommen Flüchtlinge in dem EU-Land Asyl beantragen und dort bleiben müssen, wo sie erstmals europäischen Boden betreten haben.

Nach Angaben von Diplomaten kann die Verteilung frühestens im Spätsommer beginnen. "Die Innenminister werden das Verfahren bis Ende Juli abschließend klären", sagte Tusk. Bis dahin sollen in Italien und Griechenland Aufnahmelager entstehen, wo Flüchtlinge registriert und identifiziert werden.

EU-Gipfelchef Tusk sagte: "Solidarität ohne Opferbereitschaft ist reine Heuchelei." Allerdings müsse mehr gegen illegale Einwanderung getan werden. "Alle, die keine legitimen Asylbewerber sind, haben keine Garantie, dass sie in Europa bleiben können." Merkel hatte vor dem Treffen vor Spannungen zwischen den EU-Mitgliedern in der Flüchtlingspolitik gewarnt: "Das können wir uns in Europa nicht leisten."

In vielen Ländern gibt es weiter Widerstand gegen die Umverteilung. Ungarn lehnt dies grundsätzlich ab und beklagt seine eigene Überlastung. Ministerpräsident Viktor Orban sagte in Brüssel: "Wir sind nicht herzlos, aber auch nicht hirnlos, man muss beides im Gleichgewicht halten." Man dürfe "weder der Versuchung schöner Worte erliegen, noch dem Mitgefühl".

Seit Jahresbeginn sind bereits weit über 100.000 Flüchtlinge allein über das Mittelmeer in die EU gekommen. Angesichts einer hohen Zahl von Toten durch gekenterte Schiffe hatten die EU-Regierungen im April ein Konzept beschlossen, das neben einer verstärkten Seenotrettung auch den Kampf gegen Schlepper und Aufbauhilfen in Afrika vorsieht, um die Ursachen für die Auswanderung zu bekämpfen.