Die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten haben sich nach einem nächtlichen Verhandlungsmarathon über die Grundsätze für das EU-Budget der kommenden Jahre geeinigt. "Wir sind ziemlich zuversichtlich, dass wir einen Rahmen für die Einigung haben", sagte ein EU-Diplomat am Randes des Gipfels am Freitag in Brüssel. Die Vereinbarung könne im Lauf des Tages voraussichtlich abgeschlossen werden.

Zuletzt lag für den Finanzrahmen der Jahre 2014 bis 2020 eine Summe von 960 Milliarden Euro an Verpflichtungsermächtigungen auf dem Tisch. Die 960 Mrd. Euro sollen auch die Obergrenze für den neuen Finanzrahmen sein. Das sind rund 12 Milliarden weniger als beim gescheiterten ersten Budgetgipfel im November diskutiert. Verpflichtungsermächtigungen sind über mehrere Jahre laufende Zahlungsversprechen. Für tatsächliche Auszahlungen sind dagegen nur 908,4 Milliarden Euro vorgesehen. Erstmals in der Geschichte wird ein EU-Finanzrahmen gegenüber dem laufenden gekürzt. Derzeit beträgt der Finanzrahmen für 2007 bis 2013 993,6 Milliarden Euro an Verpflichtungsermächtigungen.

Einigkeit bei Zahlungsrabatten

Damit kommt der Gipfel dem britischen Premier David Cameron entgegen, der für diesen Bereich die Marke von 900 Milliarden Euro angepeilt hatte. Weitgehend Einigkeit besteht auch bei den Zahlungsrabatten für einige Mitgliedsländer. Neben Großbritannien hatten Deutschland und andere Geberländer auf Kürzungen gegenüber dem November-Vorschlag bestanden.

Österreich behält Rabatt nur teilweise

Österreich würde seinen Rabatt gemäß dem von EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy vorgelegten Budget-Kompromiss nur teilweise behalten. Der Rabatt vom Briten-Rabatt würde demnach jährlich ungefähr 95 Millionen Euro ausmachen. Allerdings würde Österreich keinen Rabatt mehr durch einen niedrigeren Beitragssatz für die Mehrwertsteuer-Abgaben nach Brüssel erhalten. Damit entfallen rund 100 Millionen Euro Vergünstigungen im Jahr.

Ausgaben für Landwirtschaft und Strukturhilfen für die wirtschaftlich schwächeren Länder bleiben auch im neuen EU-Haushalt die größten Posten, allerdings mit abnehmender Tendenz. Die Zusage beim November-Gipfel im Bereich ländliche Entwicklung, wonach die österreichischen Bauern mit 700 Millionen Euro weniger Kürzungen als zunächst geplant rechnen könnten, ist in dem Kompromisspapier bestätigt. Statt einer Reduktion von 4,1 auf rund 2,9 Milliarden Euro bei der ländlichen Entwicklung würde dies eine Kürzung auf rund 3,6 Milliarden Euro bedeuten.

Zur Bekämpfung der hohen Jugendarbeitslosigkeit soll einem Entwurf zufolge ein Fördertopf mit sechs Milliarden Euro eingerichtet werden. Außerdem sollen die Gehälter und die Pensionen für die EU-Beamten laut Rompuy-Vorschlag zwei Jahre lang eingefroren werden. Einsparungen bei der EU-Verwaltung sollen demnach auch erreicht werden, indem bei allen EU-Institutionen das Personal von 2013 bis 2017 um 5 Prozent reduziert wird. Dies soll durch mehr Arbeitsstunden ohne Lohnausgleich kompensiert werden. In absoluten Zahlen schlägt Van Rompuy 61,6 Milliarden Euro für den Bereich Verwaltung für die nächsten sieben Jahre vor.

Einsparungen gegenüber vorangegangenen Entwürfen sieht das Kompromisspapier im Telekom-Infrastrukturbereich vor. Anstatt 7,2 Milliarden Euro ist nur mehr eine Milliarde Euro vorgesehen. Die so genannte "Connecting Europe Facility" für Verkehrs- und Infrastrukturprojekte soll insgesamt mit 29,299 Milliarden Euro ausgestattet sind, davon 23,174 Milliarden für Verkehrsprojekte. Dies ist um 11 Milliarden Euro weniger als die EU-Kommission wollte, aber gegenüber heute noch immer mehr als das Doppelte.

Der EU-Gipfel, der am Donnerstag begonnen hatte, war der zweite Anlauf der 27 Regierungen, eine Einigung zu finden. Die Beratungen verliefen äußerst zäh. Nach stundenlangen Vorgesprächen der Staats- und Regierungschefs im kleinen Kreis begann der Gipfel offiziell erst mit sechsstündiger Verspätung. Zunächst versuchten unter anderen die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Francois Hollande, der britische Premierminister Cameron, Van Rompuy und EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso, Lösungsmöglichkeiten auszuloten. Die Kluft zwischen den Nettozahler- und Nettoempfängerländern war groß. Vor allem Großbritannien bestand auf kräftigen Abstrichen von dem im November diskutierten Vorschlag.

Strittig waren dabei neben der Gesamthöhe auch die Verwendung des Geldes zwischen den verschiedenen Etatposten wie Landwirtschaft oder Forschung sowie eine faire Lastenverteilung unter den Nettozahlerländern.

Schulz spricht von "Täuschungsmanöver"

Nach der grundsätzlichen Einigung auf Eckpunkte für den mittelfristigen EU-Finanzrahmen hat der Präsident des Europaparlamentes mit einem Veto gedroht. Die Pläne sähen nur 908 Milliarden Euro an tatsächlichen Zahlungen vor, sagte der SPD-Politiker Martin Schulz am Freitag im ZDF. Weil es Ausgaben von 960 Milliarden Euro gebe, bleibe eine Finanzierungslücke von 52 Milliarden Euro. "Das findet keine Zustimmung des Europäischen Parlaments", betonte Schulz. Ein Defizit sei in Brüssel verboten. "Ich sehe nicht, wie das eine Mehrheit finden soll." Dies sei keine seriöse Politik.

Die Einigung sei ein "unglaubliches Täuschungsmanöver". Zwar hätten die Regierungschefs "hinter verschlossenen Türen" einen EU-Haushalt mit einem Gesamtvolumen von 960 Milliarden beschlossen, aber tatsächlich würden nur 908 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. "Wir sind ja nicht gegen Kürzungen", sagte Schulz. "Aber wir beschließen gerade einen Defizithaushalt und das ist in der EU juristisch verboten."