Eine Steuer auf Finanzgeschäfte in elf EU-Ländern, darunter auch Österreich, rückt näher. Die EU-Finanzminister gaben am Dienstag in Brüssel grünes Licht für eine Gruppe von elf EU-Mitgliedern, die mit der Abgabe die Märkte an den Folgekosten der Finanzkrise beteiligen wollen. Damit kann der Gesetzgebungsprozess in der EU starten. Allerdings ist die Ausgestaltung der Steuer noch offen. Über die Verwendung der Einnahmen wird aber schon gestritten. "Dies ist ein Meilenstein in der weltweiten Steuergeschichte", bilanzierte der zuständige EU-Kommissar Algirdas Semeta. Er lobte die globale Vorreiterrolle Europas.

Mit dem heutigen Beschluss des EU-Finanzministerrats an die willigen Länder kann die EU-Kommission einen konkreten Vorschlag machen. Nach einem älteren Entwurf der Kommission könnte der Aktien- und Anleihenhandel mit 0,1 Prozent je Transaktion besteuert werden, Derivate mit 0,01 Prozent. Auf diesem Weg könnten theoretisch rund 57 Mrd. Euro pro Jahr zusammenkommen, wenn alle 27 EU-Staaten mitmachen würden. Wie hoch der Steuerertrag der Elfergruppe sein wird, ist unklar.

Österreichs Finanzministerin Maria Fekter (V) sprach heute in Brüssel von einem "Paradigmenwechsel". Bisher sei klar, dass Steuerfragen von allen 27 Staaten gemeinsam zu regeln seien. Nun habe man mit dem Lissabon-Vertrag aber ein Instrument, das eben die verstärkte Zusammenarbeit von zunächst elf Staaten inklusive Österreich ermögliche.

Für Bundeskanzler Werner Faymann (S) ist die heute auf den Weg gebrachte Finanztransaktionssteuer ein "großer Erfolg". Damit könne die im österreichischen Budget bereits eingeplante Steuer rechtzeitig mit 1. Jänner 2014 wirksam werden, sagte Faymann im Pressefoyer nach dem Ministerrat. Damit bleibe Österreich im Zeitplan seines Finanzrahmens. Hintergrund: Die Finanzsteuer wurde in Österreich bereits fix eingeplant und soll 500 Mio. Euro jährlich fürs Budget bringen.

Die Abstimmung selbst sei spannend gewesen, sagte Finanzministerin Fekter nach dem EU-Finanzministerrat in Brüssel. Luxemburg und Großbritannien hätten sich explizit enthalten und ihre Bedenken auch schriftlich vorgebracht. Ebenfalls enthalten hätten sich noch Malta und Tschechien. "Schweden, Dänemark, Polen, Rumänien und Bulgarien sowie Ungarn, die sich an und für sich kritisch geäußert haben, gaben eine Erklärung ab, dass sie der Ermächtigung zur verstärkten Zusammenarbeit zustimmen." Die nichtbeteiligten Länder dürften durch die Finanztranstraktionssteuer nicht negativ beeinflusst werden.

Fekter hofft, dass die EU-Kommission nun bis Sommer ein Modell zur Finanztransaktionssteuer vorlegen wird. Dieses Modell werde dann intensiv zu behandeln sein.

Deutschland und Frankreich als treibende Kräfte

Treibende Kräfte hinter der Finanztransaktionssteuer sind Deutschland und Frankreich. Dort existiert bereits seit August 2012 eine Steuer, die beim Kauf von Anteilen an großen französischen Unternehmen erhoben wird. Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer in allen 27 EU-Ländern war vor allem am Widerstand Großbritanniens und Schwedens gescheitert. Daraufhin hatte sich die Elfergruppe gebildet, die zu einer verstärkten Zusammenarbeit bereit ist.

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) begrüßte den Schritt nach vorn. Berlin und Paris hätten den Weg geebnet. "Ich freue mich, dass wir schon jetzt neun Mitstreiter in der EU haben. Der Finanzsektor soll an den Kosten der Finanzkrise angemessen beteiligt werden. Diesem Ziel sind wir ein gutes Stück nähergekommen." In Deutschland war die Debatte maßgeblich von der SPD vorangetrieben worden, die die Finanztransaktionssteuer zur Bedingung für ihre Zustimmung zum EU-Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin gemacht hatte.

Schäuble ließ auch schon erste Grundzüge erkennen: So solle die Steuer möglichst alle Finanzinstrumente mit einem niedrigen Steuersatz erfassen. Außerdem solle sie nicht nur bei Geschäften an Börsen und anderen regulierten Handelsplattformen anfallen, sondern auch den außerbörslichen Handel, etwa von Bank zu Bank, erfassen. Damit sollten Ausweichreaktionen vermindert werden.

Neben Österreich, Deutschland und Frankreich zählen auch, Belgien, Spanien, Estland, Griechenland, Italien, Portugal, die Slowakei und Slowenien zu der Elfergruppe. Möglicherweise kommen aber noch weitere Länder hinzu. Entsprechende Signale kamen zum Beispiel aus den Niederlanden. In Großbritannien gibt es bereits eine "stamp tax", die dem Land jährlich fast 3 Mrd. Pfund (3,58 Mrd. Euro) einbringt. Weitere Belastungen hatte die Regierung abgelehnt, weil sie eine Abwanderung von Geschäften fürchtet.

Obwohl noch nicht feststeht, wie viel Geld die Abgabe einmal einbringen wird, hat der Streit über ihre Verwendung bereits begonnen. So plädierte Frankreichs Präsident Francois Hollande dafür, einen Teil für den Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit auszugeben. Die EU-Kommission hatte in ihrem ersten Entwurf vorgeschlagen, ihr die Einnahmen zu überlassen. Zeitweise war auch im Gespräch, der Euro-Zone mit der Steuer eine eigene finanzielle Basis zu verschaffen.

Start noch ungewiss

Offen ist auch, wann es losgeht. Die "Wirtschaftswoche" hatte im November Schäubles Steuer-Abteilungsleiter Michael Sell zitiert: "Vor 2016 würde ich keine Finanztransaktionssteuer im Haushalt einstellen." Das Finanzministerium hatte daraufhin erklärt, es arbeite mit Hochdruck an der Steuer.

"Erstmals wird die Finanztransaktionsteuer in einer Weltregion angewandt werden", sagte Kommissar Semeta. Die Europäer waren in den vergangenen Jahren in internationalen Foren wie den G20 für den geplanten Vorstoß kritisiert worden.