"Wir haben die Krise noch nicht hinter uns", sagte der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) am Freitag in Paris dem Radiosender Europe 1. "Aber die Erholung der gesamten Eurozone wird zweifellos in der zweiten Jahreshälfte 2013 beginnen." Bis dahin würden die Sparmaßnahmen der Regierungen die Wirtschaft noch belasten.

Draghi forderte die Euro-Staaten auf, eine Bankenunion zu schaffen. Die gemeinsame Aufsicht müsse für alle Banken zuständig sein, um eine Zersplitterung der Branche zu verhindern.

Euro-Retter im Dauereinsatz

So schweres Geschütz hatte man dem zierlichen Italiener an der EZB-Spitze gar nicht zugetraut: Erst ließ Mario Draghi die "Dicke Bertha" zwei Schüsse abfeuern. Und weil die Geldschwemme Ende 2011/Anfang 2012 die Misere der finanzschwachen Südländer nicht heilen konnte, legte die Notenbank im Sommer nach: Notfalls wollen die Währungshüter unbegrenzt Staatsanleihen der Krisenstaaten kaufen. Die Botschaft aus dem Frankfurter Eurotower, verkündet gegen erbitterten Widerstand der Deutschen Bundesbank, erreichte auch die Spekulanten: Der Euro wird gerettet - koste es, was es wolle.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) und ihre europäischen Kollegen eilen unterdessen von Krisengipfel zu Krisengipfel. Ende November drehten die internationalen Geldgeber wieder einmal in letzter Minute den Geldhahn für Griechenland auf.

Gut so, meint etwa Ex-Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann. Er warnt, ein Auseinanderbrechen der Währungsunion werde "uns wesentlich mehr kosten, als wenn wir noch einmal investieren in einen Ausbau und eine Stärkung der europäischen Einheit". Vor allem die Exportnation Deutschland profitiert von einem geeinten Europa als Absatzmarkt.

Den Euro-Rettern ist allerdings schon lange klar, dass Geld allein das Problem auf Dauer nicht lösen wird. "Ohne mutige politische Schritte wird Europa auseinanderfallen", mahnt Commerzbank-Chef Martin Blessing. "Es gibt nur zwei Optionen: Mehr Integration oder Auseinanderbrechen - und die Zeit läuft ab!"

Eine gemeinsame Bankenaufsicht ab 2013 ist auf dem Weg, auch wenn über Details noch gestritten wird. Noch zu ringen sein wird um die Ausgestaltung einer Fiskalunion, die letztlich auch mehr Brüsseler Mitsprache bei der nationalen Haushaltspolitik bedeuten würde.

Seit drei Jahren hält die Schuldenkrise den Kontinent in Atem. Fünf von 17 Euroländern sind inzwischen auf Hilfen ihrer Partner angewiesen: Nach Griechenland, Irland und Portugal baten in diesem Juni auch das Schwergewicht Spanien sowie Zypern um Hilfsgelder. Allmählich wird es eng unter den Rettungsschirmen EFSF/ESM.

Doch mittlerweile wirkt nach Einschätzung von Ökonomen die Therapie aus schmerzhaften Reformen und stützenden Geldspritzen: "Es tut sich sehr, sehr viel in den Randländern Europas", bilanziert Berenberg-Chefvolkswirt Holger Schmieding.

Irland etwa ist wieder auf dem aufsteigenden Ast, wenn auch längst nicht alle Risiken gebannt sind. Auch in den anderen Krisenländern, die jahrelang auf Pump lebten, habe sich die Außenbilanz verbessert, erklärt Schmieding: "Wir brauchen Zeit, dass die Reformen wirken und wir müssen aufpassen, dass wir diese Länder nicht zu Tode sparen."

Der griechische Schuldenberg ist angesichts der wirtschaftlichen Schwäche des Landes nach wie vor erdrückend. Die Probleme der spanischen Banken, die mit Altlasten der geplatzten Immobilienblase kämpfen, sind noch nicht behoben. Die Arbeitslosenzahlen in den Krisenstaaten erreichen Rekordstände. Selbst in Portugal, lange der "Musterschüler" unter den Euro-Krisenländern, droht die Rezession, die Sanierung der Finanzen zu durchkreuzen.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat Zeit gekauft. Allmählich kehre das Vertrauen in die Eurozone zurück, konstatierte Europas oberster Währungshüter Draghi Ende November. Zugleich machte er klar, dass er bei seinem Feldzug zur Rettung der Gemeinschaftswährung Verbündete braucht: "Die EZB hat keine Aufgaben von Regierungen übernommen. Sie müssen ebenfalls ihrer Verantwortung gerecht werden und der Krise entschieden entgegentreten."