Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat den Weg zum Start des Euro-Rettungsschirms ESM freigemacht - allerdings nur unter Vorbehalt. Die Richter wiesen am Mittwoch in Karlsruhe Anträge der Kläger überwiegend zurück, dem deutschen Präsidenten die Unterzeichnung des Gesetzes zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) bis zum endgültigen Urteil des Gerichts über die Verfassungsbeschwerden zu untersagen. Die Ratifizierung könne aber erst abgeschlossen werden, wenn völkerrechtlich sichergestellt sei, dass die Haftungsgrenze Deutschlands von 190 Milliarden Euro nur mit Zustimmung des Bundestages geändert werden könne, erklärte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle.

Weg frei für ESM

Damit kann Deutschland dem permanenten Euro-Rettungsschirm ESM unter Erklärung entsprechender völkerrechtlicher Vorbehalte beitreten. Deutschland hat bisher als einziges Euro-Land den Vertrag über den "Europäischen Stabilitätsmechanismus" ESM noch nicht ratifiziert. Erst mit der Beteiligung des größten Mitgliedsstaats kann der Rettungsschirm in Kraft treten.

Mehrere Gruppen von Klägern hatten in Karlsruhe Eilanträge gegen den permanenten Euro-Rettungsschirm und den europäischen Fiskalpakt für mehr Budgetdisziplin eingelegt. Unter den Beschwerdeführern sind der bayrische Christdemokrat Peter Gauweiler, die ehemalige deutsche Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) und die Fraktion der Linkspartei im Bundestag in Berlin. Außerdem haben sich rund deutsche 37.000 Bürger einer Beschwerde des Vereins "Mehr Demokratie" angeschlossen.

Noch kein Termin für ESM-Unterzeichnung

Der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck will sobald wie möglich über die Unterzeichnung der Gesetze zum Rettungsschirm ESM und zum Fiskalpakt entscheiden. Einen Termin dafür gibt es aber noch nicht, teilte das Präsidialamt in Berlin am Mittwoch mit. Es betonte lediglich: "Mit seinem heutigen Urteil hat das Bundesverfassungsgericht den Weg für die Fortsetzung des Ausfertigungsverfahrens nach Art. 82 Abs. 1 GG frei gemacht. Die Entscheidung des Gerichts wird jetzt unverzüglich ausgewertet."

Die deutsche Regierung hat nach den Ansicht des Staatsrechtlers Michael Brenner verschiedene Möglichkeiten, die Auflagen des Verfassungsgerichts zum Euro-Rettungsschirm zu erfüllen. Dazu gehörten Nachverhandlungen mit den anderen Euro-Ländern oder die Abgabe eines Zusatzprotokolls, sagte der Jurist aus Jena am Mittwoch im ZDF. Diese beiden Möglichkeiten halte er aber für unrealistisch.

Für einen "gangbaren Weg" halte er dagegen eine neue Verständigung der Regierungen im Euro-Raum, dass die von Karlsruhe festgelegte Obergrenze für die deutsche Haftung in Höhe von 190 Milliarden Euro akzeptiert wird. Nach der Wiener Konvention könne die deutsche Regierung dazu auch einen völkerrechtlichen Vorbehalt anmelden, sagte Brenner. Dies habe es auch in der Vergangenheit schon gegeben. Ebenfalls nicht ganz auszuschließen sei, dass sich Bundestag und Bundestag erneut mit dem Thema befassen müssten, erklärte er.

ESM soll am 8. Oktober in Kraft gesetzt werden

Der ESM-Mechanismus soll bereits am 8. Oktober in Kraft gesetzt werden. Das teilte Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker am Mittwoch in Luxemburg mit. "Ich plane, das erste Treffen des ESM-Gouverneursrats am Rande des Eurogruppen-Treffens am 8. Oktober in Luxemburg einzuberufen", erklärte Juncker.

Deutsche Regierung könnte Vorbehalt anmelden

Die Bundesregierung hat nach den Worten des Staatsrechtlers Michael Brenner verschiedene Möglichkeiten, die Auflagen des Verfassungsgerichts zum Euro-Rettungsschirm zu erfüllen. Dazu gehörten Nachverhandlungen mit den anderen Euro-Ländern oder die Abgabe eines Zusatzprotokolls, sagte der Jurist aus Jena am Mittwoch im ZDF. Diese beiden Möglichkeiten halte er aber für unrealistisch.

Für einen "gangbaren Weg" halte er dagegen eine neue Verständigung der Regierungen im Euro-Raum, dass die von Karlsruhe festgelegte Obergrenze für die deutsche Haftung in Höhe von 190 Milliarden Euro akzeptiert wird. Nach der "Wiener Konvention" könne die deutsche Regierung dazu auch einen völkerrechtlichen Vorbehalt anmelden, sagte Brenner. Dies habe es auch in der Vergangenheit schon gegeben. Ebenfalls nicht ganz auszuschließen sei, dass sich Bundestag und Bundestag erneut mit dem Thema befassen müssten, erklärte er.

Nun Verfassungsklage in Österreich möglich

Mit der Entscheidung des deutschen Verfassungsgerichtes wird der Weg für eine Verfassungsklage gegen den ESM in Österreich frei. Unterzeichnet der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck den ESM-Vertrag, kann er in Kraft treten. Nach der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt ist auch der Ratifizierungsprozess in Österreich abgeschlossen, der von den Kärntner Freiheitlichen (FPK) angekündigten Verfassungsklage gegen den ESM steht dann nichts mehr im Weg. Die FPK will über die Kärntner Landesregierung, wo sie über eine absolute Mehrheit verfügt, den ESM und den Fiskalpakt vor die Verfassungsrichter bringen.

Gegen den Fiskalpakt wollen auch die drei Oppositionsparteien im Nationalrat gemeinsam vorgehen. Die Parlamentsklubs stimmen demnächst den Text hierzu ab, hieß es gegenüber der APA. Wann der Fiskalpakt in Kraft tritt, ist noch nicht absehbar.

DAX legte nach Entscheidung zu ESM deutlich zu

Der deutsche Aktienmarkt hat am Mittwoch nach der Entscheidung zum Euro-Rettungsschirm ESM deutlich zugelegt. Der Deutsche Aktienindex (DAX) an der Deutschen Börse in Frankfurt am Main zog am Morgen um 0,98 Prozent an und notierte bei 7.382,06 Punkten.

EU-Parlamentarier applaudierten nach Urteil

Mit langanhaltendem Beifall haben die Abgeordneten des Europaparlaments auf die Genehmigung des Euro-Rettungsschirms durch das deutsche Bundesverfassungsgericht reagiert. Parlamentspräsident Martin Schulz (SPE) unterbrach am Mittwoch die laufende Debatte in Straßburg mit den Worten: "Das Bundesverfassungsgericht hat die Klagen abgelehnt, der Europäische Stabilitätsmechanismus ist zulässig". Daraufhin applaudierten die Parlamentarier 20 Sekunden lang. Der grüne Fraktionsvorsitzende Daniel Cohn-Bendit rief in den Saal hinein: "Da haben wir ja schon eine erste gute Nachricht heute."