"Rumänien ist ganz offensichtlich zu früh Mitglied der Europäischen Union geworden", lautete das Urteil des ehemaligen Präsidenten des EU-Parlaments, Hans-Gert Pöttering, nach der beispiellosen Offensive zur Machtergreifung, durch welche die Mitte-Links-Regierung in Bukarest in den letzten Wochen sich alle Schlüsselinstitutionen und -funktionen vom Parlament bis hin zu Kommissionen in Plagiatsfragen unterworfen und den rechtsliberalen Staatschef Traian Basescu seines Amtes enthoben hat. Auch EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso zeigt sich besorgt über die systematischen Verletzungen des Rechtsstaats: "Rumänien ist vom Abgrund zurückgewichen, aber wir können noch nicht sagen, dass wir das Ende des Prozesses erreicht haben", so Barroso.

Können postkommunistische Seilschaften, die ihre Privilegien - und infolge der schwer errungenen Unabhängigkeit der Justiz nun sogar ihre Straffreiheit - bedroht sehen, 22 Jahre nach der Wende die demokratische Entwicklung in Rumänien noch rückgängig machen? Dies und nichts Geringeres wird am 29. Juli beim Referendum zur Absetzung des suspendierten Staatschefs entschieden. Mit Basescu würde man nämlich Rumäniens agilsten Verfechter demokratischer Reformen beseitigen. Die bittere Ironie dieser drohenden Niederlage der Reformer in Rumänien wäre, dass diese selbst Folge einer demokratischen Entscheidung wäre - neuesten Umfragen zufolge würden zwei Drittel der Rumänen Basescu abwählen.

Geheimdienst bleibt Thema

"Rumänien hätte bessere Politiker verdient", lautet eine inzwischen notorische Stellungnahme Basescus. Der heute 61-Jährige war vor der Wende Mitglied der Kommunistischen Partei (PCR) und bis heute taucht immer wieder die berechtigte Frage um seine Beziehung zum berüchtigten Geheimdienst "Securitate" auf, denn als Kapitän des größten Schiffes innerhalb der kommerziellen Flotte und zuletzt als Chef des Büros der rumänischen Schifffahrtgesellschaft in Antwerpen waren ihm immer wieder Auslandsaufenthalte gestattet worden. Auch wird ihm nachgesagt, bei der Raubprivatisierung der rumänischen Handelsflotte seine Hand im Spiel gehabt zu haben, ohne dass selbst die einst seinen ex-kommunistischen Gegnern ergebene Justiz ihm ein Vergehen hätte nachweisen können. Nicht zuletzt ist Basescu für seine oft unverblümte, ja brutale Ausdrucksweise berüchtigt - so bezeichnete er etwa eine Angehörige der Roma-Minderheit, wenn auch im privaten Rahmen, als "stinkende Zigeunerin". Auch seine Behauptung, der ehemalige König Rumäniens Mihai I. sei ein "Knecht der Russen" gewesen, zeugt nicht nur von einer groben Ausdrucksweise, sondern von mangelnder historischer Bildung.

Unbestreitbar bleibt dennoch, dass er sich nach dem Münchhausen-Prinzip selbst aus dem kommunistischen Sumpf zu ziehen vermochte. Es war Basescu, der 2006 gegen lautstarke Proteste der damaligen parlamentarischen Opposition eine offizielle Verurteilung des Kommunismus als verbrecherisches Regime durchsetzen konnte. Er war es, der gegen starke Widerstände, nicht selten aus eigenen Reihen, die Öffnung des Securitate-Archivs und ein befristetes Amtsverbot für ehemalige kommunistische Kader erreichte.

Erste greifbare Erfolge seit 1989

Unbestreitbar sind auch seine Verdienste um die Reform des Justizwesens, das zum ersten Mal seit 1989 greifbare Erfolge in der Bekämpfung der Korruption verbuchen konnte. Davon waren oft auch zahlreiche prominente Mitglieder seiner eigenen Partei, der Liberaldemokraten (PDL), betroffen. Bezeichnend war der Fall der einstigen Tourismus- und Jugendministerin Monica Iacob-Ridzi, in dem indirekt auch Basescus eigene Tochter inkriminiert wurde, und für den er dennoch - gegen den Widerstand der PDL - ausdrücklich "eine Entscheidung für die Justiz" forderte. Iacob-Ridzi war unter anderem beschuldigt worden, öffentliche Gelder für die Wahlkampagne der Präsidententochter abgezweigt zu haben - letztere ist derzeit EU-Parlamentarierin. Nicht zuletzt gelang es Basescu in Zusammenarbeit mit dem damaligen Premierminister Emil Boc (PDL) und mit Hilfe eines Abkommens mit dem Internationalen Währungsfonds, durch harte, aber unabdingbare Sparmaßnahmen eine Katastrophe griechischen Ausmaßes abzuwenden. Die Folge waren nicht nur Stellen- und Gehaltskürzungen, sondern ein massiver Popularitätseinbruch, der den Ausgang des bevorstehenden Referendums zu entscheiden droht.

Diese Schwäche wusste die "Sozialliberale Union" (USL), ein ideologisch recht widersprüchliches Bündnis von Sozialdemokraten (PSD) und Nationalliberalen (PNL), geschickt auszunutzen. Nach einem erfolgreichen Misstrauensvotum gegen die PDL-Regierung Ende April musste Basescu Ponta zum Premier ernennen. Zu dessen ersten Amtshandlungen gehörte die versuchte Einflussnahme zugunsten seines Mentors, des Ex-Premiers Nastase, in einem langjährigen Korruptionsverfahren. Ponta ließ den neu ernannten Direktor des Bauinspektorats, das im Prozess gegen Nastase als Teilkläger auftrat, den Schadensanspruch von 1,6 Millionen Euro zurückziehen. Es folgten parteipolitisch motivierte Personalumstellungen beim Institut zur Erforschung der Verbrechen des Kommunismus, deren prominentestes Opfer Vladimir Tismaneanu wurde, eine international anerkannte Autorität auf dem Gebiet der Kommunismusforschung. Auch das angesehene Rumänische Kulturinstitut wurde statt dem Präsidenten dem Senat unterstellt.

Sieg Basecus wurde unmöglich gemacht

Im Versuch, Basescu auszuschalten, missachtete Ponta offen ein Urteil des Verfassungsgerichtshofs, das die Befugnisse des Präsidenten zur Auslandsvertretung bestätigt hatte - trotzdem ging Ponta zum EU-Gipfel nach Brüssel, nachdem das Außenministerium Basescus EU-Korrespondenz blockiert hatte. Im Vorfeld der Amtsenthebung Basescus wurden handstreichartig die Befugnisse des VGH beschnitten, die Vorsitzenden der beiden Parlamentskammern sowie der Volksanwalt durch Gefolgsleute Pontas ersetzt, das Amtsblatt der Kontrolle der Regierung unterstellt, die ausschließliche Kontrolle über das öffentlich-rechtliche Fernsehen übernommen und das Gesetz zur Volksbefragung so abgeändert, dass ein Sieg Basescus praktisch unmöglich gemacht wurde.

Auf die Sorgen Europas reagierte Bukarest doppelzüngig: trotz anderslautender Versprechen weigert sich die jetzige Mehrheit, 20 bereits angeklagte Parlamentarier zu suspendieren und sogar rechtskräftig verurteilte Volksvertreter aus dem Parlament auszuschließen. Während sich Ponta in Brüssel dafür verbürgt, die Unabhängigkeit der Justiz zu wahren, leistet er sich in Bukarest abstruse verbale Attacken gegen die Staatsanwälte der Antikorruptionsstaatsanwaltschaft - er verglich diese mit den Schergen der stalinistischen Justiz. Die Journalistin Ioana Ene beschreibt die Ereignisse der letzten Woche als "Revolution der Haftgefährdeten" - sie begannen unmittelbar nach dem Alarmsignal, das die Verurteilung Nastases auslöste und wird erst enden, wenn die Reform der Justiz entweder rückgängig gemacht wird oder aber endgültig gelingt.