Der neue Bericht der EU-Kommission zur Justizreform in Rumänien, dessen Veröffentlichung am Mittwoch erwartet wird, ist der negativste seit Beginn des Beobachtungsmechanismus im Jänner 2007 und warnt davor, dass die jüngsten Ereignisse die langjährigen Errungenschaften vereiteln könnten. Binnen nur einer Woche hatte das Mitte-Links-Regierungsbündnis "Sozialliberale Union" (USL) aus Sozialdemokraten (PSD) und Nationalliberalen (PNL) Anfang Juli die Amtsenthebung des rechtsliberalen Staatschefs Traian Basescu eingeleitet. Die EU prangert nun die von der USL dabei vorgenommenen, rechtlich fragwürdigen Personal- und Gesetzesänderungen sowie das Vorgehen gegen den Verfassungsgerichtshof (VGH) als "inakzeptabel" an.

Sollte Rumänien den Forderungen und Empfehlungen aus Brüssel nicht nachkommen, könnte es sein Stimmrecht im EU-Ministerrat einbüßen, wird in dem 60 Seiten umfassenden Bericht gewarnt. Auch sollen angesichts der Besorgnis der EU über den Druck der Politik auf die Justiz und die Verletzung des Prinzips der Gewaltenteilung im Rahmen des Justiz-Monitorings intensivere "regelmäßige Evaluationsbesuche" eingeführt werden.

Nachbericht wird erstellt

Ein zusätzlicher Bericht soll in drei Monaten erstellt werden, in dem evaluiert werden soll, "ob die Besorgnis bezüglich des Rechtsstaats und der Unabhängigkeit der Justiz geklärt und das demokratische Gleichgewicht wieder hergestellt wurde". Der EU-Beitritt Rumäniens erfolgte 2007 unter der Bedingung des Justiz-Beobachtungsverfahrens durch die EU-Kommission, bei dem mittels halbjährlicher Fortschrittsberichte die Justizreform und Korruptionsbekämpfung begutachtet werden. Der von Rumänien angestrebte Beitritt zur Schengen-Zone, den die Niederlande von dem Vorliegen zweier aufeinanderfolgender positiver Justizberichte abhängig gemacht hatte, scheint nun in weite Ferne gerückt.

Während Premier Victor Ponta (PSD) in Brüssel immer wieder beschwichtigende Zugeständnisse hinsichtlich des Machtkampfs mit dem Präsidenten gemacht hatte und erklärte, dass "eine Weiterführung des Monitorings für ein unabhängiges und effizientes Justizsystem willkommen ist", wies Interims-Präsident und PNL-Chef Crin Antonescu die Kritik scharf zurück und erklärte, dass "im Bericht Hinweise auf Themen und Entscheidungen aufscheinen, die nicht nur das Monitoring, sondern sogar die Befugnisse der EU-Kommission überschreiten". "Finden sie es normal, dass ein Jahresbericht mit politischen Kommentaren der letzten zwei Wochen beginnt?", wendete auch der Leiter der Bukarester PNL-Organisation, Eugen Nicolaescu ein und betonte, dass der suspendierte Präsident sowie die Vertreter der rumänischen Opposition im EU-Parlament "für die Verleumdung Rumäniens" im Ausland verantwortlich seien.

"Die Unabhängigkeit der Justiz und die Gewaltenteilung sind Fundamente demokratischer Gesellschaften. In den nächsten Monaten müssen alle politischen Ebenen in Rumänien ihr Engagement für diese Prinzipien nachweisen", heißt es weiter im Bericht. "Rumänien wird nur dann das Vertrauen der europäischen Partner wiedergewinnen, wenn es beweist, dass das Recht über Parteiinteressen steht, dass alle Parteien völligen Respekt für juridische Entscheidungen zeigen (...) und dass die Reformen unumkehrbar sind."

Konkrete Schritte gefordert

Anders als bei Vorgängerberichten enthält das aktuelle Dokument zehn konkrete Schritte zur Wahrung des Rechtsstaats, die die EU-Kommission von der rumänischen Regierung explizit einfordert, darunter die Rücknahme zahlreicher Maßnahmen, die die Regierung zur Vereinfachung des Verfahrens zur Absetzung Basescus getroffen hat - vor allem Änderungen des Referendumsgesetzes und Einschränkungen der Befugnisse des VGH. Am 29. Juli steht ein Referendum bevor, bei dem die Bevölkerung entscheiden soll, ob Basescu endgültig ab- oder wiedereingesetzt wird. Laut Basescu geht es dabei "nicht mehr um Traian Basescu, sondern um den Rechtsstaat." Und wenn die Bevölkerung gegen den Rechtsstaat stimme, werde Rumänien isoliert sein. "Rumänien hat eine außerordentliche Chance: Sich über die politische Klasse zu erheben."

Lob ernten die wichtigsten Korruptionsbekämpfungsinstitutionen Rumäniens, die Integritätsbehörde (ANI), welche Interessenskonflikte und Vermögensverhältnisse von Politikern untersucht, und die Antikorruptionsstaatsanwaltschaft (DNA). Diese hätten "mit Überzeugung" ihre Aufgaben erfüllt, obwohl sie immer wieder von der Politik unter Druck gesetzt worden seien. Bemerkenswert sei beispielsweise, dass Kulturminister Mircea Diaconu (PNL) infolge eines von der ANI entlarvten Interessenskonflikts kürzlich sein Amt niederlegen musste. Auch gelang es der DNA im jahrelang verzögerten größten Korruptionsprozess im demokratischen Rumänien gegen den ehemaligen Premier und Außenminister Adrian Nastase (PSD) ein zweijähriges Hafturteil ohne Bewährung zu erwirken.