Angesichts der Nervosität einiger südlicher Euro-Staaten, der USA und vieler Finanzmarktakteure wird deshalb ein großer Wurf gefordert. Im Folgenden ein Überblick, was sich für den Gipfel derzeit abzeichnet - was zu erwarten ist und was nicht.

WACHSTUMSPAKET

Die Regierungschefs der vier großen Euro-Volkswirtschaften haben am vergangenen Freitag in Rom wesentliche Punkte entschieden. Der EU-Gipfel soll ein Wachstumspaket beschließen, das Investitionen von 130 Milliarden Euro - also rund ein Prozent des Bruttosozialprodukts der gesamten Union - mobilisieren soll, um den Kontinent aus der Schuldenkrise zu hieven. Dafür werden kaum neue nationale oder europäische Budgetmittel eingesetzt. Vielmehr sollen private Investoren angelockt werden. Es besteht weitgehend Einigkeit über Maßnahmen, die von einer Kapitalaufstockung der Europäischen Investitionsbank (EIB) über die Neuordnung der EU-Strukturfonds bis zu einer Arbeitsplatz- und Ausbildungsgarantie für arbeitslose Jugendliche reichen sollen. Damit wird die Forderung etwa des französischen Präsidenten erfüllt, den Fiskalpakt für eine straffere Haushaltsdisziplin um einen Wachstsumspakt zu ergänzen. Gestritten wird noch über einzelne Punkte. Großbritannien und Schweden lehnen die Aufstockung des EIB-Kapitals noch ab.

BANKENUNION

Die vier Chefs der EU-Institutionen werden Vorschläge für eine Fortentwicklung der Euro-Zone vorlegen. Denn mittlerweile dringen selbst Nicht-Euro-Staaten wie Großbritannien darauf, dass die 17 Staaten der Währungsunion enger zusammenarbeiten sollen. Strittig sind aber Weg und Ziel. Die Chefs der EU-Kommission, der EZB, des EU-Rates und der Eurogruppe schlagen Diplomaten zufolge eine echte Bankenunion und einen Schuldentilgungsfonds auf europäischer Ebene vor. Beschlossen werden dürften diese Vorschläge in Brüssel aber wohl kaum, weil Deutschland und andere Staaten eine Vergemeinschaftung von Schulden und Risiken in der Euro-Zone ablehnen.

Zum Thema Bankenunion dürfte es auf dem Gipfel aber einen Zwischenschritt geben. Als realistisch gilt eine Einigung über eine stärkere Bankenaufsicht in der EU oder zumindest der Euro-Zone über die grenzüberschreitend tätigen Großbanken, wobei die Rolle der EZB noch umstritten ist. Wahrscheinlich ist auch, dass die EU-Kommission in ihrem Ziel bestärkt wird, die Harmonisierung der nationalen Einlagefonds voranzutreiben und dafür zu sorgen, dass alle Länder Fonds zur Abwicklung maroder Banken aufbauen. Ein Beschluss über einen gemeinsam haftenden europäischen Einlagesicherungsfonds gilt dagegen als ausgeschlossen. Die deutsche Regierung hält auch einen europäischen Schuldentilgungsfonds für verfassungs- und EU-vertragswidrig.

POLITISCHE UNION

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel möchte dagegen eine sehr viel weiterreichende politische Vereinbarung in der EU. Denn die Währungsunion, so argumentiert die deutsche Regierung, kann nur dann dauerhaft stabilisiert werden, wenn sich die Staaten insgesamt enger zusammenschließen. Dies bedeutet ein viel größeres Maß an Verbindlichkeit in verschiedenen Politikfeldern und stärkere Durchgriffsrechte der EU-Institutionen wie dem Europäischen Gerichtshof gegenüber Nationalstaaten, die sich nicht an die eingegangenen Verpflichtungen halten.

Weil auch damit eine erhebliche Souveränitätsübertragung auf eine europäische Ebene verbunden wäre, ist dies neben der Vergemeinschaftung der Schulden ein weiterer heikler Punkt - ganz besonders für Staaten wie Frankreich. Ohnehin wird keine Einigung in Brüssel in dieser Sache erwartet. Realistisch ist deshalb ein Arbeitsauftrag an EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy, bis zum Dezember-Gipfel entsprechende Vorschläge vorzubereiten. Das klingt unspektakulär. Aber diese Salamitaktik hat Deutschland bereits erfolgreich zur Durchsetzung des Fiskalpakts angewandt.

WEITERE THEMEN

Keine Beschlüsse sollen nach Angaben der deutschen Regierung über Griechenland fallen - das liegt daran, dass die Troika aus EZB, EU-Kommission und IWF noch nicht nach Athen gereist ist, um eine Bestandsaufnahme der griechischen Reformanstrengungen zu erstellen. Diese ist aber Grundlage für die Frage, wo nach der Wahl in Griechenland nachgesteuert werden muss. Der Streit über eine Lockerung der Auflagen, die die neu gewählte griechische Regierung fordert, steht damit noch bevor.