"In einer mittelfristigen Perspektive könnte die Ausgabe gemeinsamer Anleihen untersucht werden als ein Element der Fiskalunion, abhängig vom Fortschritt bei der fiskalischen Integration", heißt es in dem Bericht von EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und den Chefs von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Eurogruppe, der Reuters am Dienstag vorlag.

Eine gemeinsame Haftung für die Staatsschulden käme in Betracht, sobald es einen robusten Rahmen für Haushaltsdisziplin gebe. Streit über den Plan ist programmiert: Deutschland lehnt eine Vergemeinschaftung von Schulden ab. Frankreich drängt auf Euro-Bonds und eine Bankenunion auch ohne eine Fiskalunion.

Barroso: "Europa braucht Vision"

Die Euro-Staaten hatten die Chefs der vier Spitzeninstitutionen um einen Vorschlag zur Weiterentwicklung der Währungsunion gebeten. Im dritten Jahr der Schuldenkrise gehen sie damit den Geburtsfehler des Euro an und wollen die gemeinsame Geldpolitik um eine gemeinsame Finanzpolitik ergänzen. "Wir sind jetzt in einem entscheidenden Moment der europäischen Integration", sagte EU-Kommissionschef Jose Manuel Barroso. Europa brauche eine Vision und einen konkreten Weg, sie zu verwirklichen.

Die "Vision für eine stabile und wohlhabende Währungsunion" besteht aus vier Bausteinen: einer Bankenunion, einer Fiskalunion, einer engeren Verzahnung der Wirtschaftspolitik und der stärkeren demokratischen Legitimation der Euro-Zone. Der Bericht soll der Startschuss sein, um bis zum Jahresende einen verbindlichen Fahrplan zur Reform der Währungsgemeinschaft festzulegen. Für Oktober ist ein Zwischenbericht geplant. Barroso sprach von einem schrittweisen Prozess. Der Leitgedanke sei: Jeder Schritt zu mehr Solidarität werde von einem entsprechenden Schritt zu mehr Verantwortung begleitet.

Für Bundeskanzlerin Angela Merkel ist die Fiskalunion mit gemeinsamer Haftung für Schulden die Voraussetzung für eine Bankenunion. In Regierungskreisen hieß es, der Bericht betone die Solidaritäts-Mechanismen für strauchelnde Euro-Staaten zu sehr, während zur Fiskalunion wenig gesagt werde. Merkel werde die deutschen Vorbehalte geltende machen, mit inhaltlichen Beschlüssen sei beim Gipfel ohnehin nicht zu rechnen. Die CSU lehnt eine Fiskalunion generell ab: "Eine Vergemeinschaftung von Schulden, eine Vergemeinschaftung von Risken und Haftung kommt für uns nicht infrage", sagte CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt. Die EU-Kommission und die hoch verschuldeten südlichen Euro-Staaten wollen die Bankenunion dagegen schon verwirklichen, bevor das Fernziel gemeinsamer Fiskalpolitik erreicht ist.

Die Differenzen waren beim Spitzentreffen von Merkel mit Frankreichs Präsident Francois Hollande, Italiens Regierungschef Mario Monti und dessen spanischem Amtskollegen Mariano Rajoy am Freitag in Rom zu Tage getreten. Im Ringen um eine gemeinsame Linie wollten sich die Finanzminister der vier Länder am Abend in Paris treffen, ehe am Mittwoch Merkel und Hollande Streitpunkte entschärfen wollen.

Der Bericht skizziert die Elemente einer Schuldengemeinschaft der Euro-Staaten: Für eine vollkommene Fiskalunion müsste ein Euro-Finanzministerium oder ein Schatzamt geschaffen werden. Auf dem Weg dorthin soll "die Ebene der Euro-Zone" den Mitgliedstaaten Grenzen bei der Haushaltspolitik setzen, wobei keine Institution benannt wird. Dabei würden jährlich Obergrenzen für die Verschuldung festgelegt. Die Euro-Zone könnte bei Abweichungen eingreifen. Die Finanzierung höherer Schulden als vereinbart müsste sich eine Regierung genehmigen lassen. Unter diesen Bedingungen könne eine gemeinsame Schuldenfinanzierung in Betracht gezogen werden. Euro-Bonds werden dazu nicht als Instrumente genannt, sondern kurzfristige Schuldpapiere und ein Schuldentilgungsfonds.

Die Bankenunion soll aus einer europäischen Aufsicht sowie gemeinsamen Fonds zur Einlagensicherung und Bankenabwicklung bestehen. Während die Aufsicht für alle Banken in der EU gelten soll, könnten die beiden Krisenfonds nur für die Euro-Zone geschaffen werden. Finanziert würde das von den Banken, der Euro-Rettungsfonds ESM stünde auch noch als Rückhalt bereit. Von direkten Bankenhilfen des ESM ist dagegen nicht die Rede.

Knapp fällt die Vision zur Abstimmung der Wirtschaftspolitik und zur demokratischen Legitimation aus. Die bestehenden, auf Freiwilligkeit beruhenden Wege zur Politikkoordination wie der Euro-Plus-Pakt sollen verbindlich werden. Vorschriften zur Haushaltspolitik müssten über "starke Mechanismen" gemeinsamer Entscheidungen legitimiert sein. Das EU Parlament und die nationalen Parlamente müssten eng eingebunden sein. Barroso betonte, neue Institutionen seien nicht notwendig. Die Kommission sei bereits die Wirtschaftsregierung Europas.