Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel gerät mit ihrem Nein zu einer Schuldengemeinschaft durch neue EU-Initiativen sowie die Verschärfung der Krise immer stärker unter Druck. Die EU-Kommission will die Einführung von Euro-Bonds vorantreiben und drängt auf einen verbindlichen Fahrplan dazu, während das EU-Parlament am Mittwoch einen Schuldentilgungsfonds für die Euro-Länder forderte. In Deutschland selbst bleibt die Ratifizierung des Fiskalpaktes eine Hängepartie, weil sich der Streit zwischen Regierung und Opposition fortsetzt.

Die Zeit für politische Beschlüsse könnte angesichts der Verschärfung der Krise drängen: Die Griechen räumten wenige Tage vor der Schicksalswahl in Scharen ihre Euro-Konten leer und auch deutsche Banken verstärkten ihre Vorbereitungen auf einen Euro-Austritt des Landes mit unabsehbaren Folgen. Italien bekam das wachsende Misstrauen der Finanzmärkte zu spüren und konnte sich nur gegen hohe Zinsen frisches Geld leihen. Gleichzeitig sehen einige Anleger sogar die Kreditwürdigkeit Deutschlands wegen der milliardenschweren Rettungsschirme in Gefahr.

Die deutsche Regierung lehnt den Schuldentilgungsfonds genauso wie Eurobonds ab - zumindest solange die Euro-Zone sich noch nicht zu einer echten Fiskalunion gemausert hat, die die nationale Souveränität in der Haushaltspolitik beschränken würde. Sie wird dabei etwa von Finnland unterstützt. Frankreich und Italien wollen die Papiere dagegen einführen. Die österreichische Regierungsspitze sieht Eurobonds hingegen mittel- bis langfristig als sinnvolle Maßnahme.

"Brauchen ernsthafte Diskussion"

EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso forderte jedoch im Europäischen Parlament: "Wir brauchen eine ernsthafte Diskussion über die Vergemeinschaftung nationaler Schulden in Form von Stabilitätsbonds." Die Euro-Staaten sollten sich auf die Voraussetzungen und einen Zeitplan dazu einigen. Auch das Parlament forderte einen verbindlichen Plan. "Ich bin nicht sicher, ob die Dringlichkeit in allen Hauptstädten vollkommen verstanden wird", sagte Barroso.

Während Barroso Euro-Bonds als Fernziel beschrieb, setzte das Europäische Parlament die Schuldengemeinschaft schon jetzt auf die Tagesordnung. Es machte sich den Vorschlag der deutschen Wirtschaftsweisen zu eigen, einen Schuldentilgungsfonds zu schaffen. Darin würden die Euro-Länder Altschulden, die über 60 Prozent der Wirtschaftsleistung hinausgehen, bündeln und über Anleihen gemeinsam finanzieren. Für Deutschland, das dank der Krise rekordniedrige Zinsen genießt, würde das den Schuldendienst aber verteuern.

Das Ringen um die Verabschiedung des Fiskalpaktes in Berlin ging in eine neue Runde: Die Spitzen von Koalition und Opposition konnten sich bei einem weiteren Treffen mit Merkel nicht auf eine gemeinsame Wachstumsstrategie für Europa einigen, ein neues Spitzengespräch ist in der kommenden Woche geplant.

Hamsterkäufe in Griechenland

Die Griechen wappneten sich mit Hamsterkäufen für einen Ausstieg aus dem Euro. Allein von den Sparkonten der größten Institute des Landes wurden jüngst pro Tag 500 bis 800 Mio. Euro abgezogen, wie die Nachrichtenagentur Reuters von mehreren Bankern erfuhr. Bei einem Sieg der Reformgegner am Sonntag droht dem vom Ausland seit Mai 2010 über Wasser gehaltenen Euro-Mitglied die Pleite und womöglich die Rückkehr zur ungeliebten Drachme.

Für den Fall eines solchen Wahlausgangs rüsten sich auch in Deutschland Unternehmen und Banken. "Wenn sich ein solches Ergebnis abzeichnet, glühen in den Frankfurter Bankentürmen am Sonntagabend die Telefondrähte", sagte ein Manager eines großen deutschen Geldhauses voraus. Dann werde voraussichtlich jedes Institut, aber auch jedes Unternehmen rasch Notfallpläne besprechen.

Nach dem Hilfsantrag Spaniens gerät an den Märkten mit Italien erneut die drittgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone in den Fokus. Trotz der Reformbeteuerungen von Regierungschef Mario Monti musste Italien den Anlegern bei der Aufnahme von Krediten über 6,5 Mrd. Euro die höchsten Zinsen seit Dezember bieten. Für einjährige Anleihen wurden knapp vier Prozent fällig nach zuletzt rund 2,3 Prozent. Monti wies jedoch erneut Spekulationen zurück, dass Italien als nächstes Euro-Land auf Finanzhilfen angewiesen sei.

Ansehen Deutschlands bekommt Kratzer

Auch das hohe Ansehen Deutschlands an den Finanzmärkten bekommt durch die Schuldenkrise Kratzer - seit einigen Wochen steigen die Renditen auf deutschen Staatsanleihen nach einem Rekordtief wieder an. "Deutschland verliert durch die zunehmenden Risiken an Qualität", sagte Andrew Bosomworth, Fondsmanager und Deutschland-Chef des mächtigen Vermögensverwalters Pimco.

Mit Zypern könnte schon bald ein fünftes Land EU-Finanzhilfen beantragen. Die Regierung erklärte, sich zwar noch nicht zu einem Hilfsantrag entschieden zu haben - es könne jedoch sein, dass das Land bald vier Milliarden Euro benötigt.