Spanien gibt dem internationalen Druck nach und flüchtet unter den europäischen Rettungsschirm. Zur Lösung seiner Bankenkrise kann Madrid auf Notkredite von bis zu 100 Milliarden Euro bauen. Das beschlossen die Finanzminister der Eurozone am Samstag in einer dreistündigen Telefonkonferenz.

Anders als in Griechenland, Portugal und Irland wird es dabei erstmals um spezielle Hilfen zur Stabilisierung des wankenden Bankensystems in Spanien gehen. Damit entgeht die viertgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone den in Madrid befürchteten strengen Auflagen und Kontrollen seines Staatsbudgets. Aber Spanien muss seinen Bankensektor reformieren und für marode Geldhäuser Sanierungspläne vorlegen. Das könnte im Extremfall auch die Schließung einzelner Institute bedeuten. Die Auflagen werden sich an den EU-Beihilferegeln orientieren.

Damm bilden

"Die Kredite werden umfangreich genug sein, um einen Damm zu bilden, der alle möglichen Kapitalbedürfnisse auffangen kann", heißt es in einer Erklärung der Minister. "Die Kreditsumme muss alle geschätzten Kapitalbedürfnisse plus eine zusätzliche Sicherheitsmarge umfassen, was sich schätzungsweise auf insgesamt bis zu 100 Milliarden Euro summiert." Die Notkredite werden an den spanischen Bankenrettungsfonds FROB fließen, der es an notleidende Banken weitergebe. Verantwortlich für die Rückzahlung werde die spanische Regierung sein.

Ein offizieller Antrag wird von Madrid erst in den nächsten Wochen vorgelegt, wenn der genaue Kapitalbedarf beziffert werden kann. Die Regierung wartet dazu nach den Worten von Wirtschaftsminister Luis de Guindos noch auf zwei Gutachten der Beratungsgesellschaften Oliver Wyman (USA) und Roland Berger (Deutschland). Diese sollen noch im Juni kommen, sagte de Guindos.

Lagarde lobte Beschluss

Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, lobte den Beschluss: "Das ergänzt die Maßnahmen der spanischen Regierung der vergangenen Wochen, das Bankensystem zu stabilisieren", heißt es in einer am Samstag in Washington verbreiteten Erklärung. Die Höhe der Notkredite von bis zu 100 Milliarden Euro passten zu dem vom Weltwährungsfonds festgestellten Kapitalbedarf. Der IWF hatte bei bisherigen europäischen Rettungsaktionen stets rund ein Drittel der Finanzlasten getragen. Bei der Hilfe für Spanien würden allein die Europartner Kredite geben.

Der spanische Bankensektor benötigt nach IWF-Einschätzung einen akuten Krisenpuffer von mindestens 40 Milliarden Euro. Das frische Kapital würde gebraucht, wenn die düstersten Konjunkturvorhersagen für das Euroland eintreten würden, hieß es in einem IWF-Bericht über die Stabilität des spanischen Finanzsystems vom Freitagabend (Ortszeit) in Washington. Der tatsächliche Kapitalbedarf sei wegen möglicher Kosten für Restrukturierungen und Kreditausfälle sogar bis zu doppelt so hoch, sagte eine IWF-Mitarbeiterin in einer Telefonkonferenz.

Schäuble: Banken stabil dank Reform

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble betonte, dank bisheriger Reformen seien die größten spanischen Banken gut durch die Krise gekommen und stünden stabil da. "Ein Teil des Finanzsektors muss jedoch noch die Nachwirkungen des Platzens der spanischen Immobilienblase verarbeiten, was aufgrund der damit erforderlichen Abschreibungen zu einem nicht unerheblichen Kapitalbedarf führt", ließ Schäuble mitteilen.

Schäuble hat nach eigenen Angaben noch keine Hinweise auf den Umfang der von Spanien benötigten Notkredite. "Das wissen wir noch nicht. Das hängt davon ab, wie viel Kapital die spanischen Banken tatsächlich brauchen. Da laufen die Untersuchungen", sagte Schäuble am Samstagabend in den ARD-"Tagesthemen".

EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso und EU-Währungskommissar Olli Rehn begrüßten in einer gemeinsamen Erklärung, dass Spanien um Hilfe für seinen Finanzsektor gebeten habe und sicherten die Unterstützung der EU-Kommission zu. "Wir sind sicher, dass Spanien schrittweise das Vertrauen der Investoren und Marktteilnehmer zurückgewinnen kann."

Bankensektor reformieren

Der Rettungsfonds EFSF kann Staaten auch Notkredite gewähren, um taumelnden großen Banken zu helfen. Bei solch einer "weichen Rettung" würde das Geld ausschließlich für den Finanzsektor eingesetzt. Entsprechend sind die Auflagen niedriger als bei Hilfsgeldern für den Staatshaushalt als Ganzes. So müsste Spanien den Bankensektor reformieren und für die betroffenen Banken Sanierungspläne erstellen.

Nach Vorlage eines Antrags muss zunächst die EU-Kommission mit der Europäischen Zentralbank und der EU-Finanzaufsicht prüfen, ob die Voraussetzungen für EFSF-Kredite an Spanien zur Bankenrekapitalisierung vorliegen. Erst danach kann die Eurogruppe die Hilfe billigen.

Aus dem EFSF erhalten bereits die drei Länder Portugal, Irland und Griechenland Nothilfen für den Haushalt als Ganzes. Sie müssen dafür weitreichende Reform- und Sparauflagen - nicht nur in der Bankenbranche - einhalten.

Spanien kämpft gegen eine massive Bankenkrise und steckt in der Rezession. Allein die Krisenbank Bankia will vom Staat für seine Sanierung insgesamt mehr als 23 Milliarden Euro. Vor allem eine Vielzahl "fauler" Immobilienkredite hat die Bankenbranche in die Krise gestürzt.

Der Staat, der selbst unter einer hohen Schuldenlast ächzt, hat das Geld zur Bankenrettung nicht in der Kasse. Er kann es sich auch nicht ohne weiteres auf den Kapitalmärkten besorgen, weil Spanien - wie Finanzminister Christóbol Montoro zuletzt selbst einräumte - dort keine Kredite zu erschwinglichen Bedingungen mehr erhält.