Angela Merkel will über Strukturreformen reden, der Franzose Francois Hollande über Eurobonds. Der EU-Sondergipfel, der auf Wunsch des neuen französischen Präsidenten das Thema Wachstum klar sichtbar auf Europas Agenda setzen sollte, zeigte vor allem zwei Dinge: Es knirscht im deutsch-französischen Verhältnis, und Europa ist über den richtigen Weg aus der Schuldenkrise gespalten, die nicht nur Griechenland immer mehr an den Abgrund drängt. In einem sind sich immerhin alle einig: In einem Monat soll die EU erste Nägel mit Köpfen machen.

Bei einem Abendessen mit Spargelspitzen, Fisch und Mousse au Chocolat debattierten die EU-Staats- und Regierungschefs sechs Stunden vor allem über Wachstum. Es war der erste EU-Gipfelauftritt des Sozialisten Hollande, der gut eine Woche im Amt ist. Als ersten Erfolg kann er verbuchen, dass der Sondergipfel überhaupt stattfand. Denn im Wahlkampf hatte er versprochen, den von Merkel hochgehaltenen Fiskalpakt zur Haushaltsdisziplin in Europa um eine Wachstumskomponente zu ergänzen.

Nachdem die CDU-Politikerin Merkel mit Hollandes konservativem Vorgänger Nicolas Sarkozy in der Krise so eng zusammenarbeitete, dass das Tandem den Spitznamen "Merkozy" bekam, tut sich die Kanzlerin mit dem neuen Präsidenten noch schwer. Vor allem dessen Forderungen nach Eurobonds hält sie nicht für den richtigen Weg aus der Krise. Berlin fürchtet, dass der Spardruck auf verschuldete Länder nachlassen und Deutschland gezwungen sein könnte, für die Schulden anderer Staaten zu haften.

In Brüssel blieb Merkel bei ihrem Nein. Sie glaube, dass Eurobonds "kein Beitrag sind, um das Wachstum in der Eurozone anzukurbeln", sagte sie zum Gipfelauftakt. Die deutsche Kanzlerin verwies zudem auf das EU-Recht, das Eurobonds nicht zulasse. Am Ende bezeichnete sie die Debatte immerhin als "ausgewogen".

Die Begrüßung zwischen Merkel und Hollande sei aber eher kühl ausgefallen, berichtete ein Teilnehmer. Und Hollandes Umfeld machte klar, dass sich der Sozialist nicht wie Sarkozy von der Kanzlerin vereinnahmen lassen will. "Auf Merkozy wird kein Merkollande folgen", hieß es. Aber auch französische Beobachter verweisen darauf, dass Hollande Mitte Juni noch Parlamentswahlen vor sich hat und bis dahin kaum die Zeit für Kompromisse ist.

Einige Gemeinsamkeiten

Tatsächlich gibt es eine Reihe von Punkten, in denen Merkel und Hollande nicht weit auseinanderliegen. Beide nannten den Einsatz nicht genutzter Milliarden aus EU-Strukturfonds und eine Kapitalerhöhung der Europäischen Investitionsbank als Ansatzpunkte. Hollande sah auch "Konsens" bei "Projektbonds", die Infrastrukturprojekte finanzieren könnten - bei ihnen ist vorerst aber lediglich eine "Pilotphase" mit begrenzten Garantien aus dem EU-Haushalt geplant.

Auch wenn in Berlin darauf verwiesen wird, dass vieles von dem, was Hollande nun medienwirksam ins Rampenlicht holt, längst Gegenstand europäischer Beschlüsse ist, sehen einige doch einen Paradigmenwechsel. Der Gipfel sei der "24. seit Beginn der Krise" und "der erste, der sich jetzt wirklich mit Wachstum und Beschäftigung" auseinandergesetzt habe, sagte Europaparlamentspräsident Martin Schulz. Es gebe inzwischen Länder, "in denen sind 50 Prozent der jungen Menschen ohne Arbeit", sagte der SPD-Politiker. "Das zerstört die Demokratie."

Und es zeigt sich täglich, dass die Krise nicht vorüber ist: Italien, Portugal und Spanien rutschten Anfang des Jahres in die Rezession, die spanischen Banken stehen wegen Kapitalmangels womöglich auf tönernen Füßen und der Austritt des binnen kürzester Zeit bereits wieder vor Neuwahlen stehenden Griechenlands aus der Eurozone ist inzwischen ein "Szenario". Europa hat also ein großes Interesse zu handeln. Ob es den Spagat zwischen Sparkurs und Wachstumspolitik schafft oder lieber weiter über den richtigen Weg aus der Krise streiten will, wird sich schon beim nächsten Gipfel in einem Monat zeigen.