Im Euro-Krisenland Griechenland ist am Sonntag zum ersten Mal seit Beginn der Schuldenkrise ein neues Parlament gewählt worden. Die Abstimmung galt als wegweisend für den künftigen Sparkurs des Landes und dürfte die bisherigen Machtverhältnisse in Athen auf den Kopf stellen. In Umfragen lag die konservative Nea Dimokratia von Ex-Außenminister Antonis Samaras in Führung, die aber wie die sozialistische Pasok-Partei mit herben Verlusten rechnen muss.

Samaras kann bei der Wahl laut Umfragen damit rechnen, dass seine Partei trotz eines massiven Einbruchs mit rund 25 Prozent stärkste Kraft wird. Für eine eigene Mehrheit dürfte es aber nicht reichen. Die sozialistische Pasok-Partei von Ex-Finanzminister Evangelos Venizelos muss sogar mit dem schlechtesten Wahlergebnis ihrer Geschichte rechnen. Die Umfragen sehen sie bei weniger als 20 Prozent. 2009 hatte die Pasok noch mehr als doppelt so viel geholt.

Die beiden Traditionsparteien, die seit dem Ende der Militärdiktatur 1974 abwechselnd die Regierung stellten und seit November beide dem Übergangskabinett von Ministerpräsident Lucas Papademos angehören, dürften für die strikte Sparpolitik abgestraft werden, die dem Land von der EU und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) im Gegenzug für Milliardenhilfen auferlegt wurde.

Einzug einer Vielzahl kleinerer Parteien erwartet

Ingesamt könnten bis zu zehn Parteien den Einzug ins Parlament schaffen - doppelt so viele wie bisher. Erstmals könnte auch die Neonazi-Partei Chryssi Avgi (Goldene Morgenröte) den Sprung über die Drei-Prozent-Hürde schaffen. Die linksradikale Syriza kann sogar mit zehn Prozent der Stimmen rechnen.

Obwohl die Regierungsbildung in einem Parlament mit zehn Parteien schwierig werden dürfte, hat Samaras eine erneute Koalition mit der Pasok im Wahlkampf strikt ausgeschlossen. Nach Einschätzung von Beobachtern könnte die Nea Dimokratia letztlich aber keine andere Wahl haben.

Papademos zeigte sich am Sonntag überzeugt, dass noch in "dieser Woche" eine neue Regierung gebildet werden könne. Die Griechen müssten bei der Wahl aber nicht nur darüber entscheiden, wer künftig regiert, "sondern welchen Weg das Land in den kommenden Jahrzehnten einschlägt", sagte der frühere Vizepräsident der Europäischen Zentralbank (EZB), als er in Athen seine Stimme abgab.

Samaras sagte, die Wähler stimmten "über die Zukunft ihrer Kinder, Stabilität, Wachstum, Sicherheit und Gerechtigkeit" ab. Venizelos, der das Sparprogramm als Finanzminister maßgeblich mit ausgehandelt hatte, nannte den Wahltag den "wichtigsten Tag für das Land seit 1974". Er wurde ausgebuht und als "Dieb" beschimpft, als er in Thessaloniki zur Wahl ging.

Während die beiden großen Parteien das Sparprogramm zumindest lockern wollen, haben mehrere kleine Parteien erklärt, die mit der Troika aus EU-Kommission, EZB und IWF getroffene Vereinbarung ganz aufkündigen zu wollen. In Europa und auf den Finanzmärkten sorgte der unsichere Wahlausgang für große Beunruhigung.

Der Chef des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts, Thomas Straubhaar, sagte dem "Tagesspiegel am Sonntag", Griechenland sei nicht in der Lage, sich aus eigener Kraft gegen die Krise zu wehren. "Aus diesem Grund wäre es klug, darauf hinzuarbeiten, Griechenland zu einem europäischen Protektorat zu machen." Die Wahllokale schließen um 18.00 Uhr MESZ. Im Fernsehen werden unmittelbar danach erste Hochrechnungen veröffentlicht.