Staatsoberhäupter und Kabinette kommen in Europa und gehen, ohne dass das die Europäische Kommission für gewöhnlich aus dem Gleichgewicht bringt. Umso bemerkenswerter ist es daher, wenn sich die Brüsseler Behörde zu einem demokratischen Wechsel in einem der Unionsländer zu Wort meldet, von dem nicht einmal gewiss ist, ob er überhaupt über die Bühne gehen wird. Mit eindringlichen Worten hat EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn den Favoriten für die französische Präsidentenwahl, François Hollande, davor gewarnt, zu viele Schulden zu machen. Sollte der Sozialist zu viel Geld ausgeben, werde die EU Frankreich Fördermittel streichen, stellte Rehn Hollande die Rute ins Fenster. Gleichzeitig erteilte der Kommissar Hollandes Forderung eine Absage, den Fiskalpakt neu zu verhandeln und "wachstumsstimulierende Elemente" hinzufügen. "Wir haben andere Möglichkeiten, Wachstum zu fördern", sagte Rehn.

Tatsächlich ist in Brüssel und einer Reihe von europäischen Hauptstädten - allen voran Berlin - die Sorge groß, der Sozialist könnte nach einem Wahlsieg am radikalen Sparkurs rütteln, dem sich die Euro-Zone unter Biegen und Brechen verschrieben hat.

Möglich wurden die Austeritätsprogramme nur, weil der amtierende französische Präsident Nicolas Sarkozy nach anfänglichem Zögern und beträchtlichen währungspolitischen Zugeständnissen auf die Linie der deutschen Kanzlerin Angela Merkel eingeschwenkt und zu ihrem engsten Verbündeten in der Euro-Krise geworden war. Das ist auch der Grund, warum Merkel sich im französischen Wahlkampf für Sarkozy erklärt hat.

Die Nervosität, mit der man in der EU auf die Stichwahl am 6. Mai blickt, hat aber auch mit der Rückkehr der Krise zu tun. Nach der Rettung Griechenlands sah es so aus, als ob das Ärgste überwunden wäre. Doch seit Wochen steigen wieder die Risikoaufschläge für spanische und italienische Staatsanleihen. Ein Sieg Hollandes käme da zur Unzeit und würde die Nervosität der Märkte befeuern, wird befürchtet. Als Reaktion auf den Erstrundenerfolg des Sozialisten sind die Aktienkurse gestern auch gleich nach unten gerasselt.