Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (V) befürwortet grundsätzlich ein Instrumentarium, damit Schengen-Staaten in bestimmten Fällen - etwa für 30 Tage - Grenzkontrollen durchführen können. Die Entscheidungen für vorübergehende Kontrollen müssten aber jeweils im Bereich der EU- bzw. anderen Teilnehmerstaaten liegen und nicht in Brüssel, sagte die Ministerin am Freitag im Ö1-Mittagsjournal des ORF-Radio. Mikl-Leitner betonte zugleich, dass sie momentan keinen Bedarf sieht, "die Grenzen zuzumachen".

Die Minister der Schengen-Länder trügen die Verantwortung für die innere Sicherheit in ihren Staaten, sagte Mikl-Leiner. Daher könne es nicht sein, dass die EU-Kommission Kompetenz bei der Entscheidung über vorübergehende Grenzkontrollen habe, die Schuld für eine Gefährdung der inneren Sicherheit allerdings zulasten des Einzelstaates ginge, argumentierte sie.

Die Innenministerin sprach zwar von verstärkter illegaler Immigration, die sich an der Zahl der Asylanträge und an den Schlepper-Aufgriffen ablesen lasse. Die im Schengen-Abkommen festgeschriebene Reisefreiheit sei aber "ein hohes Gut"; die Regelung für vorübergehende Grenzkontrollen, die laut Vertrag in Ausnahmefällen wie internationalen Großveranstaltungen gestattet sind und in der Vergangenheit - etwa bei der Fußball-Europameisterschaft 2008 in Österreich und der Schweiz - auch durchgeführt wurden, sei daher auch bisher nicht missbraucht worden.

Frankreich und Deutschland wollen Grenzen kontrollieren

Der Schengen-Debatte neuen Auftrieb gegeben hatte ein Bericht der "Süddeutsche Zeitung" (Freitag-Ausgabe), wonach Frankreich und Deutschland aus Angst vor illegaler Einwanderung wieder nationale Landesgrenzen kontrollieren lassen wollen, falls die europäischen Außengrenzen im Süden und Osten nicht ausreichend gesichert werden. Konkret forderten die Innenminister der beiden Länder, nationale Regierungen sollten "die Möglichkeit einer auf 30 Tage befristeten Wiedereinführung der Binnen-Grenzkontrollen haben". Ob die Voraussetzungen dafür vorliegen, sollten die nationalen Regierungen selbst bestimmen.

Über die Frage soll beim Treffen der EU-Innenminister am kommenden Donnerstag in Luxemburg beraten werden. Gegen Widerstand aus den EU-Staaten will die Europäische Kommission künftig als letzte Instanz über die Wiedereinführung von Grenzkontrollen entscheiden. BZÖ-Chef Josef Bucher fordert Mikl-Leitner in einer Aussendung auf, sich für ein temporäres Aussetzen der Schengen-Regelung stark zu machen: Die EU-Außengrenzen im Süden und Osten seien nicht genügend gesichert. "Insbesondere Griechenland hat derzeit enorme Schwierigkeiten, seine Grenzen ausreichend zu schützen."

Für den deutsch-französischen Vorstoß - allerdings ohne zeitliche Befristung der Kontrollen - ist auch der FPÖ-Europaabgeordnete Andreas Mölzer. "Wie die Lage an der griechisch-türkischen Grenze zeigt, wo täglich Hunderte illegale Zuwanderer in die Europäische Union strömen, besteht dringender Handlungsbedarf", so Mölzer.

Nach dem 1985 ins Leben gerufenen Schengen-Abkommen werden heute in 25 Ländern Europas die Grenzen - außer in Ausnahmefällen - nicht mehr kontrolliert. Im Vorjahr hatte Frankreich vorübergehend seine Grenze zu Italien kontrolliert, um Flüchtlinge aus Nordafrika an der Einreise zu hindern. Dänemark kontrollierte im vergangenen Sommer kurzzeitig die Grenzen zu Deutschland und Schweden. Die schwarz-gelbe Regierung in Berlin kritisierte das damals noch.

Der um seine Wiederwahl kämpfende französische Präsident Nicolas Sarkozy hatte im Wahlkampf angekündigt, das europäische Schengen-Abkommen zum Personenverkehr ohne Grenzkontrollen rund um unzureichende Kontrollen an der türkisch-griechischen Grenze neu verhandeln zu wollen. Für den Fall, dass das Schengen-System nicht nachgebessert werde, drohte Sarkozy an, Frankreich könnte sich zeitweise ausklinken.