Je kleiner die Bühne, desto größer die Geste. Nachdem ESC-Gewinnerin Conchita Wurst am Vormittag der Presse Rede und Antwort gestanden hatte, hielt sie im weißen Hosenanzug vor der Menge eine Rede zu Europa. Sie verwies dabei auf die Parallelen zwischen dem 1956 erstmals ausgestrahlten Eurovision Song Contest und den ein Jahr später als Vorläufer der EU begründeten Europäischen Gemeinschaften. In beiden Fällen gehe es um Variantenreichtum und ein vielfarbiges Europa: "Und ich bevorzuge eine komplizierte Demokratie gegenüber einem System, in dem einer alleine entscheidet."

Wenn jeder für ein vielgestaltiges Europa eintrete, gelte ihr bereits sprichwörtliches Motto: "Dann sind wir unstoppable." Nach dem politischen Appell kehrte Conchita wieder zu ihren Wurzeln zurück: "Ich bin Musikerin, und deshalb bin ich hier." Mit Coverversionen von Chers "Believe", Joe Cockers "Unchain my heart" und James Cottrialls "Unbreakable" sowie ihren beiden eigenen Nummern "That's what I am" und ihrem Siegerlied "Rise like a Phoenix" bezirzte die Drag-Diva daraufhin die schirmbewehrte Menge vor der Bühne.

Selfies verboten

Zuvor sah sich bereits das Parlamentsmuseum "Parlamentarium" mit einem wahren Besucheransturm konfrontiert, gab die bärtige Lady doch dort ihren Fans Autogramme. Selfies waren aus Zeitgründen allerdings verboten - dafür stand den Bildwilligen ein Profifotograf samt anschließender Downloadmöglichkeit zur Verfügung.

"Conchita Wurst ist ein Symbol dafür, dass man zu sich selbst stehen kann", freute sich die niederländische Abgeordnete Sophie In't Veld von den Liberalen über den Auftritt, zu dem sie unter anderen die Einladung ausgesprochen hatte. Aber auch Mandatare der Sozialdemokraten, der Europäischen Volkspartei, der Linken und nicht zuletzt der Grünen rund um die österreichische Delegationsleiterin Ulrike Lunacek hatten Wurst nach Brüssel gebeten.

Und dort blieb das im Vorfeld von einigen rechtsgerichteten Politikern geäußerte Missfallen aus. Dies dürfte vielleicht auch damit zusammenhängen, dass sich das Parlament derzeit in der Hochphase der Entscheidung über die neue Kommission befindet.

Twittern erlaubt

Umso mehr Raum nahmen die Befürworter via Twitter ein. Noch-Kommissarin Viviane Reding konstatierte: "Europa von seiner besten Seite: Kreativ, tolerant und vielfältig!" NEOS-Mandatarin Angelika Mlinar beschied via Twitter: "Ich freue mich, Sie als Symbol der Offenheit und Freiheit begrüßen zu dürfen."

Und die deutsche Grüne Terry Reintke frohlockte: "Die wunderbare Conchita Wurst kommt zu uns." Der österreichische Sozialdemokrat Josef Weidenholzer sah sogar himmlische Zeichen: "Dafür hat sogar der Regen aufgehört", während sich Pawel D. Wisniewski, ein Mitarbeiter der Europäischen Volkspartei, wunderte: "Conchita Wurst hat mehr Journalisten angezogen als UN-Generalsekretär Ban Ki-moon."