Die Entscheidung ist gefallen: Ein Tribunal am Ständigen Schiedshof in Den Haag hat als erste internationale Instanz in dem seit Jahren schwelenden Streit im Südchinesischen Meer ein Urteil gefällt. Es geht darum, ob Chinas Ansprüche auf Hoheit über den Großteil des Meeres - dessen Fläche 41-mal so groß wie Österreich ist - rechtmäßig sind. Im konkreten Fall geht es um den Konflikt zwischen China und den Philippinen, die den Fall vor den Schiedshof gebracht hatten. Das Tribunal entschied: China hat keine Hoheitsansprüche auf die umstrittenen Inseln im Südchinesischen Meer.

Der Konflikt um die Kontrolle in dem Gebiet hat die Spannungen in der Region verschärft und auch das Verhältnis Chinas zu den USA belastet. Kurz vor dem mit Spannung erwarteten Schiedsspruch  hat auch Vietnam erneut schwere Vorwürfe gegen Peking erhoben. Chinesische Schiffe hätten am Samstag bei den von beiden Ländern beanspruchten Paracel-Inseln ein vietnamesisches Fischerboot gerammt und zum Sinken gebracht. Die Chinesen hätten die Rettung der Fischer behindert, sagte Phan Van On, Sprecher des Such- und Rettungsdienstes in der Provinz Quang Ngai, am Montag. Ein anderes Fischerboot habe die Fischer schließlich retten können.

Nach dem UNO-Seerechtsübereinkommen (UNCLOS) können Länder zwölf Seemeilen vor ihrer Küste als eigenes Küstenmeer beanspruchen und 200 Seemeilen als "ausschließliche Wirtschaftszone". Wenn die umstrittenen Formationen als Felsen und nicht Inseln anzusehen sind, geht von ihnen aber kein Hoheitsanspruch aus. Der Schiedshof entscheidet aber nicht, wem die Riffe tatsächlich gehören. Es geht lediglich darum, ob von den umstrittenen Formationen ein Hoheitsanspruch abzuleiten ist.

Peking will Urteil ignorieren

China erkennt die Zuständigkeit des Schiedsgerichts jedoch nicht an und will das Urteil ignorieren. Das Urteil ist zwar bindend, aber der im Jahr 1900 eingerichtete Haager Schiedshof hat keine Handhabe, die Umsetzung zu erzwingen. Neben den Philippinen und Vietnam machen auch Malaysia, Taiwan und Brunei Ansprüche auf Teile des Südchinesischen Meeres geltend.

Der Ständige Schiedshof in Den Haag ist die älteste überstaatliche Instanz zur Schlichtung völkerrechtlicher Streitfälle. Seit seiner Gründung im Jahr 1900 im Gefolge der ersten Haager Friedenskonferenz 1899 hat der Schiedshof die Aufgabe, "die effizientesten Mittel" zu finden, um "für alle Völker die Vorzüge eines wirklichen und dauerhaften Friedens sicherzustellen".

Der Schiedshof ist kein Gericht im klassischen Sinne, sondern bietet nur einen organisatorischen Rahmen für die Verhandlung der Konflikte. Bis zu fünf Schiedsrichter verhandeln die Fälle, die sie mit einem Schiedsspruch abschließen. Obwohl die Beschlüsse des Schiedshofs rechtlich bindend sind, gibt es keine exekutiven Verfahren, die ihre Umsetzung erzwingen. Sitz des Ständigen Schiedshofs ist der Haager Friedenspalast, in dem auch der Internationale Gerichtshof (IGH) - das höchste Gericht der Vereinten Nationen - ansässig ist.

Selbst wenn China die Entscheidung des Schiedshofs nicht anerkennen will, so erhoffen sich die Philippinen von dem Urteil doch diplomatischen Rückenwind für ihre Ansprüche. Die USA, die in der Region etliche Verbündete haben, weisen die Territorialansprüche Chinas ebenfalls zurück. Vietnam und Indonesien haben angekündigt, auch ihrerseits juristische Schritte einzuleiten.

Umstritten sind insbesondere die Spratly- und die Paracel-Inseln im Südchinesischen Meer. Nach Berechnungen des US-Verteidigungsministeriums hat China an sieben Inseln oder Riffen, die von dem Land okkupiert werden, insgesamt 1300 Hektar Land aufgeschüttet, die unter anderem für Flugzeug-Landebahnen genutzt werden. Auch künstliche Inseln wurden aufgeschüttet.

Wer die Hoheitsrechte über das Südchinesische Meer ausübt, kann auch die Schifffahrtsroute von Ostasien Richtung Nahost und Europa kontrollieren, über die pro Jahr Güter im Wert von 4,5 Billionen Euro (4,06 Mrd. Euro) transportiert werden. In dem Seegebiet gibt es auch Erdgasvorkommen, die noch nicht ausgebeutet wurden.

Experten rechnen damit, dass der Schiedshof im Sinne der philippinischen Regierung entscheiden wird. Die Völkerrechtsdozentin Cecily Rose von der Universität Leiden sagte, der Schiedshof werde die "Positionen der anderen Staaten in der Region unterstützen". Allerdings warnte Frans-Paul van der Putten vom Clingendael-Institut, der Haager Schiedsspruch werde "nicht zur Verbesserung der Beziehungen" zwischen China und den anderen Anrainern beitragen.

Schon mehrfach schlugen die Spannungen im Südchinesischen Meer in Gewalt um. 1988 wurden bei einer Konfrontation zwischen China und Vietnam um die Spratly