Ein Vierteljahrhundert nach Margaret Thatcher wird Großbritannien demnächst wieder von einer Frau regiert. Die Nachfolge von Premierminister David Cameron entscheidet sich zwischen Innenministerin Theresa May (59) und Energie-Staatssekretärin Andrea Leadsom (53). So entschieden die Abgeordneten der Konservativen Partei am Donnerstag in London in einer Abstimmung.

Das Rennen zwischen den beiden um den Parteivorsitz und damit um die Regierungsführung wird in den nächsten Wochen in einer Urwahl der Parteimitglieder entschieden.

Damit steht erstmals seit dem Rücktritt von Margaret Thatcher, die 1990 den Rückhalt in der Unterhausfraktion und im Regierungsteam verloren hatte, wieder eine Frau vor dem Einzug in die Downing Street 10. Auf die neue Premierministerin kommen die langen und schwierigen Austrittsverhandlungen mit der EU zu. May will den offiziellen Austritts-Prozess möglichst erst im nächsten Jahr beginnen - sehr zum Ärger der EU. Dagegen will die Brexit-Befürworterin Leadsom keine Zeit verlieren.

Bei der Abstimmung der Abgeordneten am Donnerstag erhielt May mit 199 Stimmen eine klare Mehrheit. Für Leadsom votierten 84 Parlamentarier. Justizminister Michael Gove bekam mit 46 die wenigsten Stimmen und schied damit aus dem Rennen. Zwei Tage zuvor war ein weiterer Kandidat mit geringer Stimmzahl ausgeschieden, ein weiterer hatte seine Kandidatur zurückgezogen.

May bedankte sich unmittelbar nach der Abstimmung für die breite Unterstützung. "Dieses Votum zeigt, dass die Konservative Partei zusammenfinden kann - und unter meiner Führung wird sie das tun."

May hatte beim Brexit-Referendum für einen Verbleib in der Union plädiert, sich aber mit ihrer Meinung im Wahlkampf demonstrativ zurückgehalten - jetzt präsentiert sie sich als Versöhnerin, die die tief gespaltene Partei einigen könnte. Das Ergebnis des Referendums will sie nicht anfechten: "Brexit bedeutet Brexit", sagte sie unmissverständlich. Es dürfe keine Versuche geben, doch noch in der EU zu bleiben. Auch ein zweites Referendum dürfe es nicht geben.

Dagegen trat Leadsom für den Austritt ein und betonte, nur ein Brexit-Anhänger könne als Regierungschef die Weichen richtig stellen. Leadsom rief am Donnerstag zu Optimismus nach dem Brexit-Votum auf. Falls die Parteibasis sie zur Nachfolgerin Camerons wählen sollte, wolle sie den gegenwärtigen Pessimismus vertreiben.

Rund 150.000 Tory-Mitglieder haben nun in den kommenden Wochen per Briefwahl das Sagen. Der genaue Zeitplan für die Urwahl ist bisher unklar. Das Ergebnis soll bis zum 9. September bekanntgegeben werden.

Im historischen Referendum am 23. Juni hatten die Briten mit 52 Prozent für das Ausscheiden aus der EU gestimmt und damit ein Erdbeben in den britischen Parteien ausgelöst. Cameron, der für den Verbleib in der Europäischen Union gekämpft hatte, kündigte sofort nach der Wahlnacht seinen Rücktritt an.

May (59), Tochter eines Vikars der Anglikanischen Kirche startete ihre Karriere nach einem Oxford-Studium in der Bank of England. 1997 wurde sie ins Parlament gewählt. Fünf Jahre später stieg sie zur ersten Vorsitzenden der Tories auf, nachdem sie sich um die Reform der Partei verdient gemacht hatte. Anerkennung erwarb sie sich auch mit der Leitung des Innenministeriums seit nun sechs Jahren - seit hundert Jahren ist sie damit die am längsten an einem Stück amtierende Innenministerin in dem als schwierig geltenden Ressort.

Leadsom arbeitete nach ihrem Studium der politischen Wissenschaften an der Warwick Universität 25 Jahre lang im Bankensektor. Die 53-Jährige war unter anderem für Barclays und als Fondsmanagerin für Invesco Perpetual tätig. 1995 half sie dem Chef der Bank of England, Eddie George, bei der Abwehr der Folgen des Kollapses der Barings Bank. 2010 wurde sie Abgeordnete und arbeitete zunächst in gehobener Stellung im Finanzministerium.