"Bis gestern hatte Europa ein Problem, jetzt ist erst mal Panik", sagte der Europa-Chefvolkswirt der Nordea Bank, Holger Sandte, am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters.

"Die Finanzmärkte werden einige Tage brauchen, um den Schock zu verarbeiten." Der Ausstieg Großbritanniens aus der EU versetzt die Börsen weltweit in Aufruhr. Aus Angst vor einer Wirtschaftskrise auf der Insel und einer Beeinträchtigung der weltweiten Konjunktur warfen Anleger Pfund Sterling und Aktien in hohem Bogen aus ihren Depots.

"Phase absoluter Unsicherheit"

"Jetzt kommt eine große Phase der absoluten Unsicherheit", sagte der Chefvolkswirt der deutschen Berenberg Bank, Holger Schmieding. "Denn etwas Vergleichbares hatten wir noch nicht. Unsicherheit ist schlecht für die Wirtschaft." Der Aufschwung in Großbritannien dürfte nun weitgehend zu Ende sein, in der Euro-Zone werde er sich abschwächen. Hersteller von Investitionsgütern wie Maschinen und Autos dürften die Folgen stärker spüren. "Deutschland ist also stärker betroffen als beispielsweise Spanien", sagte Schmieding.

Auch der Chefvolkswirt der DZ Bank, Stefan Bielmeier, erwartet das: "Die Finanzmärkte dürften kurzfristig mit hoher Volatilität auf die Entscheidung reagieren. Vor allem wird aber die nun bevorstehende Phase der Unsicherheit über die Modalitäten des Austritts die Kapitalmärkte belasten."

"Brecit schafft Unsicherheit"

Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer sieht das ähnlich. "Der Brexit schafft Unsicherheit und ist insofern schlecht für die deutsche Wirtschaft", sagte Krämer. "Aber wir erwarten nicht, dass der Euroraum in die Rezession zurückfällt." Es komme jetzt darauf an, eine saubere Scheidung hinzubekommen. "Es geht vor allem darum, ob Großbritannien nach einem Verlassen der EU den Zugang zum EU-Binnenmarkt behält", so der Experte. "Wichtig ist, dass die EU jetzt nicht die beleidigte Leberwurst spielt." Sie sollte ein starkes Interesse daran haben, mit den Briten in den kommenden zwei Jahren eine saubere Trennung zu vereinbaren. Das Land sei zweitwichtigster Handelspartner der EU, nach den USA und vor China. "Die EU hat ein großes wirtschaftliches Interesse daran, Zölle im Warenhandel zu vermeiden und das Land im Binnenmarkt zu behalten."

Ifo-Präsident Clemens Fuest sieht jetzt die Politik am Drücker. "Die Entscheidung der britischen Wähler für den Brexit ist eine Niederlage der Vernunft", sagte er. "Die Politik muss jetzt alles tun, um den wirtschaftlichen Schaden zu begrenzen. Dazu gehört es, sicherzustellen, dass Großbritannien so weit wie möglich in den Binnenmarkt integriert bleibt." Es sei wichtig, die Verhandlungen darüber möglichst schnell zum Abschluss zu bringen, damit die Phase der Unsicherheit über die künftigen Wirtschaftsbeziehungen möglichst kurz bleibe.