Nach der Armenien-Resolution des Bundestages hat der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan erneut Kritik an Deutschlands Bundestag und Bundesregierung geübt und eine Neubewertung der Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich abgelehnt. "Die vom deutschen Parlament getroffene Entscheidung hat absolut keinen Wert", sagte Erdogan laut türkischen Medien bei einer Afrika-Reise. Erdogan äußerte sich zudem enttäuscht darüber, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sich nicht an der Debatte im Bundestag beteiligt hatte. "Ich hätte mir gewünscht, dass sie teilnimmt und dass sie abstimmt", sagte er. Die Türkei dürfe auf die Vorkommnisse aber nicht überstürzt reagieren.

Der Deutsche Bundestag hatte am Donnerstag mit den Stimmen aller Fraktionen eine Resolution verabschiedet, in der die Tötung von bis zu 1,5 Millionen Armeniern sowie Aramäern und Angehörigen weiterer christlicher Minderheiten vor rund hundert Jahren im Osmanischen Reich als Völkermord bezeichnet wird. Zuvor hatten schon mehr als 20 Länder diese Einstufung vorgenommen, darunter Frankreich, Italien und Russland. Die türkische Regierung lehnt die Bezeichnung der Geschehnisse als Völkermord strikt ab.

Die türkische Haltung zu den Geschehnissen im Jahr 1915 sei bekannt, sagte Erdogan den Berichten zufolge. Die Entscheidung des Bundestages "wird nichts an unserer Position ändern".

"Aber sie haben nicht die Tatsache berücksichtigt, dass sie riskieren, einen Freund wie die Türkei zu verlieren", kritisierte der Staatschef die Bundestagsabgeordneten. Er frage sich, wie deutsche Politiker ihm nun "ins Gesicht schauen" könnten. Die Angelegenheit betreffe aber nur die deutsch-türkischen Beziehungen und nicht das Verhältnis Ankaras zur EU.

Erdogan hatte unmittelbar nach der Bundestagsabstimmung gedroht, die Resolution werde "ernste" Folgen für die deutsch-türkischen Beziehungen haben. Die Regierung in Ankara rief den türkischen Botschafter aus Berlin zurück und bestellte den deutschen Vertreter in Ankara ein.

Später verschärfte Erdogan allerdings auch seinen Ton gegenüber Brüssel: In einer Fernsehansprache kritisierte der türkische Präsident, das Thema werde "in der ganzen Welt als bequemes Mittel der Erpressung gegenüber der Türkei" und inzwischen gelegentlich sogar als "Knüppel" genutzt.

In Anspielung auf die gespannten Beziehungen zwischen Brüssel und Ankara unter anderem wegen der Frage der Visa-Freiheit für Türken warnte Erdogan: "Entweder finden wir auf fairem Weg Lösungen für unsere Probleme. Oder die Türkei wird aufhören, eine Barriere für Europas Probleme zu sein". Die Türkei werde Europa seinen "eigenen Sorgen" überlassen, fügte er hinzu. Ob er damit auf den Flüchtlingsdeal mit der EU anspielte, ließ der türkische Präsident offen.