Wenn Deutschland "in diese Falle tappt, würde das unsere künftigen Beziehungen beschädigen - die diplomatischen, wirtschaftlichen, politischen, kommerziellen und militärischen Beziehungen", sagte Erdogan am Dienstag in Izmir. All dies müsse berücksichtigt werden. Nach der Abstimmung werde die Türkei über mögliche Reaktionen nachdenken. Nach Angaben eines Berliner Regierungssprechers ging es in dem Telefonat Merkels mit Erdogan neben der Armenien-Resolution auch um die weitere Umsetzung des EU-Türkei-Flüchtlingsabkommens.

Ministerpräsident Binali Yildirim beklagte "die haltlosen und ungerechten politischen Urteile" der Entschließung. Er sagte der deutschen Kanzlerin nach türkischen Angaben, seine Regierung, das ganze Land sowie Millionen Türken in Deutschland verfolgten die Entwicklung mit Sorge. Ankara erwarte von der Bundesregierung und vom Bundestag eine "respektvolle Haltung".

Der Bundestag stimmt am Donnerstag über eine von Union, SPD und Grünen eingebrachte Resolution über die Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich vor hundert Jahren ab. Darin werden die Massaker, bei denen bis zu 1,5 Millionen Armenier sowie Aramäer und Angehörige weiterer christlicher Minderheiten ums Leben gekommen waren, als Völkermord eingestuft.

"Wir von der CDU/CSU wollen niemanden auf die Anklagebank setzen", sagte dazu der Parlamentsgeschäftsführer der Union im Bundestag, Michael Grosse-Brömer. "Ich hoffe, dass das auch so verstanden wird", fügte er mit Blick auf die Türkei hinzu. Grosse-Brömer bekannte sich aber klar zu der Entschließung. "Es geht darum, an eine historische Verantwortung zu erinnern, an der auch Deutschland ja einen gewissen Anteil hat, sagte der Unionspolitiker mit Blick auf das Bündnis zwischen dem Osmanischen Reich, Deutschland und Österreich-Ungarn im Ersten Weltkrieg.

"Das stufen wir ganz klar als Völkermord ein", sagte auch SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann in Berlin zu den Massakern. Er sagte aber auch, es gehe "nicht darum, ein Streitfeld mit der türkischen Regierung aufzumachen". Da gebe es schon genug andere Konflikte. Vielmehr solle die Resolution ein Zeichen setzen "für die Versöhnung zwischen Türken und Armeniern".

"Es ist wirklich Zeit, dass der Völkermord an den Armeniern als solcher bezeichnet wird", sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt, deren Fraktion den Anstoß für die gemeinsame Entschließung gegeben hatte. Ein solches Zeichen sei "dringend notwendig", sagte auch Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) äußerte die Hoffnung, dass die Resolution nicht "den Weg verstellt zu dem, was eigentlich notwendig ist", nämlich die Aufarbeitung des Geschehens durch die beiden Nachbarländer. Diese stehe "immer noch an und ich bin mir sicher, dass die schwierige Nachbarschaft zwischen Armenien und der Türkei nicht zu überwinden sein wird, wenn man sich nicht dieser Aufgabe irgendwann stellt", sagte er in Berlin.

Die Regierung in Ankara hatte in den vergangenen Jahren stets mit scharfer Kritik und diplomatischen Schritten auf die Anerkennung der Massaker als Völkermord reagiert. Bisher haben dies mehr als 20 Staaten getan, darunter Frankreich, Italien und Russland. Als der österreichische Nationalrat im Vorjahr in einer gemeinsamen Erklärung aller Fraktionen die Massaker an den Armeniern vor 100 Jahren als Völkermord bezeichnete, beorderte die türkische Regierung ihren Botschafter in Wien vorübergehend zu Beratungen nach Ankara zurück.