Die Jihadisten, die bereits in den vergangenen Tagen in der Region gegen Aufständische in der Nähe der türkischen Grenze vorgerückt waren, hätten am Samstag die Verteidigungsanlagen der Stadt Marea überrannt, berichtete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte.

Am Stadtrand leisteten sich Rebellen und IS-Kämpfer heftige Gefechte - Dutzende Menschen seien dabei gestorben. Marea - etwa 20 Kilometer südlich der türkischen Grenze gelegen - ist neben Asas die einzige größere Stadt, die in der Enklave noch von Rebellen kontrolliert wird. Das Rebellengebiet grenzt im Osten an den Herrschaftsbereich des IS und im Westen an Kurdengebiete.

Karl Shembri vom Norwegischen Flüchtlingsrat (NRC) sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Situation sei beispiellos. "Das gesamte Gebiet um Azaz ist komplett unsicher und Tausende Zivilisten und Hunderte Helfer sind in die Konfliktzone geraten."

Ein lokaler Aktivist berichtete, dass Rebellen einen Ort an die kurdischen Truppen übergaben, um im Gegenzug den Abzug von Zivilisten aus dem belagerten Marea zu ermöglichen. Dabei werde es sich vor allem um Kinder, Frauen und Verwundete handeln. Auf türkischem Staatsgebiet schlugen indes erneut Raketen ein. Diese wurden wahrscheinlich aus Gebieten der Terrormiliz IS abgeschossen.

Erst kürzlich war der IS in das strategisch wichtige Gebiet vorgerückt. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) flohen Zehntausende vor den Dschihadisten und sind nun in der Region um Asas eingeschlossen. Den Rebellen droht dort ein totaler Zusammenbruch. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) und HRW gehen von 165 000 Vertriebenen aus, die rund um Asas Zuflucht gesucht haben.

Erdogan verurteilt US-Hilfe für Kurdenmiliz

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat Unterstützung der USA für kurdische Milizen im Kampf gegen die Jihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) kritisiert. Damit verschärfte sich am Samstag ein schwelender Streit, in dem Fotos von US-Soldaten mit Uniformabzeichen der syrischen Kurdenmiliz YPG auf türkischer Seite zu neuer Verärgerung geführt hatten.

Die Kurdenmiliz YPG ist der bewaffnete Arm der dominierenden syrischen Kurdenpartei PYD. Die Miliz ist ein Partner des Westens im Kampf gegen den IS.

"Die Unterstützung, die die USA der PYD und der YPG gegeben haben (...) Ich verurteile das", sagte Erdogan am Samstag in der Kurden-Metropole Diyarbakir im Südosten der Türkei. Er beschuldigte militante Kurden, sie seien "Atheisten" und "Zoroastrier", Anhänger einer alten, heute vor allem in Indien verbreiteten, monotheistischen Religion.

Am Vortag hatte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu bereits wegen der Fotos protestiert. "Es ist inakzeptabel, dass US-Soldaten das Emblem einer Terrororganisation tragen", sagte er. Für die Türkei ist die Kurdenmiliz YPG eine Terrororganisation wie die türkische PKK (Kurdische Arbeiterpartei).

Der Sprecher der US-Armee im Irak, Steve Warren, hatte das Tragen der Abzeichen als unangebracht bezeichnet. Er verwies auch auf eine lange verbreitete Praxis von Spezialkräften bei der Zusammenarbeit mit anderen Einheiten, die aber nicht erlaubt sei.

Heftige Kämpfe auch im Irak

Erstmals seit Beginn der irakischen Armeeoffensive auf die irakische Jihadisten-Hochburg Falluja sind Eliteeinheiten auf die belagerte Stadt vorgerückt. Die Anti-Terror-Einheit CTS, die Polizei der Provinz Al-Anbar sowie örtliche Stammeskämpfer seien in zwei Lagern südlich und östlich von Falluja versammelt und könnten noch "in den nächsten Stunden" in die Stadt einrücken, sagte ihr Kommandant am Samstag.

Zehntausende Bewohner saßen weiter in der belagerten Stadt fest. Zwar gelang am Freitag Hunderten Bewohnern die Flucht aus der belagerten Stadt, die meisten von ihnen Frauen und Kinder, doch leben noch immer rund 50.000 Zivilisten in Falluja.

Die irakische Armee versucht seit Montag mit Unterstützung verbündeter Milizen und von Kampfflugzeugen die Stadt rund 50 Kilometer westlich von Bagdad aus den Händen der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) zurückzuerobern. Wer die Flucht wagt, riskiert, von den Jihadisten getötet zu werden.

US-Militärsprecher Steve Warren sagte, US-Flugzeuge hätten Flugblätter abgeworfen, in denen Zivilisten aufgefordert werden, Gegenden mit IS-Präsenz zu meiden. Wer nicht fliehen könne, solle ein weißes Tuch auf seinem Hausdach anbringen. "Die irakische Armee versucht, Fluchtwege zu schaffen. Die Regierung der Provinz Anbar hat Lager für Vertriebene errichtet", sagte Warren.

"Situation täglich schwieriger"

Die Situation in Falluja werde "täglich schwieriger", warnte der Irak-Direktor der Norwegischen Flüchtlingshilfe, Nasr Muflahi. Die Bewohner ganzer Viertel seien '"in die Kampfzone getrieben worden ohne sicheren Fluchtweg". Schon vor Beginn der Offensive fehlte es den Bewohnern Fallujas an Lebensmitteln, Trinkwasser und Medikamenten. Die Stadt war Anfang 2014 von sunnitischen Regierungsgegnern übernommen worden, bevor sie an die IS-Miliz fiel.

Die US-geführte Militärkoalition tötete unterdessen nach eigenen Angaben bei Luftangriffen 70 IS-Kämpfer, unter ihnen der lokale Kommandant Maher al-Bilawi. Sein Tod werde nicht zu einem Ende der Kämpfe führen, doch versetze er den Jihadisten "einen Schlag", sagte der US-Militärsprecher Warren. "Das führt zu Verwirrung und bedeutet, dass der Vizekommandeur aufrücken muss."