Nach den schwersten Kämpfen um die Kaukasusregion Berg-Karabach (Nagorny-Karabach) seit mehr als 20 Jahren hat die internationale Gemeinschaft vor einer Eskalation des Konflikts zwischen Armenien und Aserbaidschan gewarnt. Trotz einer von Baku ausgerufenen Waffenruhe dauerten die Gefechte nach armenischen Angaben auch am Sonntag an.

Mindestens 30 Soldaten wurden getötet. Die UNO, die USA, Russland und die deutsche Regierung drangen auf ein Ende der Gewalt. Die sogenannten Minsk-Gruppe der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) vermittelt in dem Konflikt und plant für Dienstag ein Krisentreffen in Wien, wie aus OSZE-Kreisen bekannt wurde.

Die Gefechte in dem von Baku und Eriwan beanspruchten Gebiet Berg-Karabach im Südkaukasus, die in der Nacht zum Samstag begonnen hatten, waren die schwersten seit der Unterzeichnung eines Waffenstillstandsabkommens zwischen Aserbaidschan und Armenien im Jahr 1994.

18 armenische und 12 aserbaidschanische Soldaten wurden nach Angaben beider Regierungen getötet. Auch zwei Zivilisten sollen durch die Kämpfe getötet worden sein. Dem Verteidigungsministerium in Baku zufolge schossen armenische Einheiten auch einen Hubschrauber der aserbaidschanischen Armee ab.

Aserbaidschan, das nach eigenen Angaben einige von Armenien kontrollierte Stellungen in Berg-Karabach eroberte, rief am Sonntag als "Zeichen des guten Willens" eine einseitige Waffenruhe aus. Allerdings werde die Armee weiterhin auf "Provokationen" des armenischen Militärs reagieren. Die von Armenien unterstützte Präsidentschaft in Berg-Karabach erklärte jedoch, die Kämpfe seien am Sonntag keineswegs eingestellt worden. Das armenische Verteidigungsministerium bezeichnete die von Baku verkündete Feuerpause als "Falle".

Internationale Besorgnis

Die Gefechte lösten international Besorgnis aus. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon rief die Beteiligten auf, "den Kämpfen ein sofortiges Ende zu setzen" und umgehend Schritte zur Deeskalation einzuleiten. Auch US-Außenminister John Kerry rief Armenien und Aserbaidschan zum Gewaltverzicht auf. "Wir bekräftigen, dass es keine militärische Lösung für den Konflikt gibt", sagte Kerry.

Auch der russische Präsident Wladimir Putin appellierte an die beiden ehemaligen Sowjetrepubliken, Zurückhaltung zu üben, um weitere Opfer zu vermeiden. Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Außenminister Sergej Lawrow telefonierten mit ihren aserbaidschanischen und armenischen Kollegen.

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier rief dazu auf, "die Kampfhandlungen unverzüglich einzustellen und den Waffenstillstand in vollem Umfang zu respektieren". Laut Auswärtigem Amt telefonierte Steinmeier mit seinen Kollegen in beiden Ländern. Auch die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und Frankreichs Staatschef Francois Hollande forderten eine Deeskalation.

Armenien und Aserbaidschan streiten seit Anfang der 90er-Jahre um die Region Berg-Karabach. Proarmenische Rebellen hatten das mehrheitlich von Armeniern bewohnte Gebiet, das zu Sowjetzeiten Aserbaidschan zugeschlagen worden war, Ende der 80er-Jahre mit Eriwans Unterstützung unter ihre Kontrolle gebracht.

Im Zuge eines jahrelangen Kriegs wurden hunderttausende Menschen aus beiden Ländern vertrieben und schätzungsweise 30.000 Menschen getötet. 1994 wurde ein Waffenstillstand vereinbart, einen Friedensvertrag gibt es aber bis heute nicht. International wird Berg-Karabach weiterhin als Teil Aserbaidschans angesehen, Armenien erkennt dies aber nicht an.

Türkei als Verbündeter

Aserbaidschan hatte in der Vergangenheit wiederholt damit gedroht, Berg-Karabach zurückzuerobern, sollten internationale Bemühungen zur Lösung des Konflikts erfolglos bleiben. Das von Russland unterstützte Armenien versichert, es könne jeder Offensive standhalten.

Aserbaidschan zählt wiederum die Türkei zu seinen Verbündeten. "Wir beten dafür, dass unsere aserbaidschanischen Brüder mit den kleinstmöglichen Verlusten die Oberhand in diesen Kämpfen gewinnen", erklärte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am Wochenende. "Wir werden Aserbaidschan bis zum Ende unterstützen."

Der Kaukasus-Experte Thomas de Waal vom europäischen Carnegie-Zentrum warnte vor der explosiven Gemengelage in Berg-Karabach. Aserbaidschan könnte versuchen, seine Position durch einen begrenzten Militäreinsatz zu verbessern, sagte de Waal. Jegliche Auseinandersetzung in der Region könne aber schnell außer Kontrolle geraten.